0354 - Toteninsel Teneriffa
»Montego«…
Rafaela verließ das Schiff über den Anlegesteg, an dem es vertäut worden war. Immer wieder sah sie sich um, aber sie konnte weder Valdez noch seine Leute entdecken. Die Yacht lag am Ende des Hafens. Rafaela setzte einen Fuß vor den anderen. Sie schwankte leicht vor Erschöpfung.
Hier und da wurde auf den Booten gefeiert; Rafaela erweckte durchaus den Eindruck, als käme sie in trunkenem Zustand von einem dieser Boote.
Aber das war ihr ziemlich egal.
Sie wünschte, sie könnte von einer der Telefonzellen aus ein Taxis bestellen, das sie zum Hotel brachte. Aber sie besaß kein Geld; weder Telefonmünzen noch Geld, um das Taxi sofort zu bezahlen. Sie mußte den Weg zum »Plaza« zu Fuß zurücklegen.
Wie sie es geschafft hatte, wußte sie später nicht mehr. Aber plötzlich war sie da. Stand in der großen Halle. Sah die Rezeption und brach zusammen.
***
Nicole fand in dieser Nacht keine rechte Ruhe. Die Anstrengungen des Fluges und der Fallenbeschwörung hätten eigentlich ausreichen müssen, um sie einmal rund um die Uhr schlafen zu lassen. Aber sie war innerlich noch aufgedreht wie ein Uhrwerk. Wahrscheinlich lag es daran, daß sie mehrmals jene fremden Gedanken wahrgenommen hatte, die Eindrücke des Dämonischen…
Zamorra hatte sich mit einer Meditationsübung in erholsamen Tiefschlaf versetzt; er würde morgen früh wieder topfit und hellwach sein.
Nicole hätte es auch tun können. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, das sei nicht gut. So blieb sie wach. Sie wußte, daß der Zusammenbruch dafür am nächsten Tag irgendwann kommen würde.
Auch sie besaß keine unerschöpflichen Reserven.
Sie beschloß, einen nächtlichen Spaziergang zu machen. Das würde sie zwar nur noch wacher machen, aber das war ihr egal. Sie kleidete sich an und verließ leise das Zimmer. Zamorra schlief, drehte sich gerade auf die andere Seite.
Das Hotel war wie ausgestorben. Nicole sah auf die Uhr. Es war gerade zwei Uhr nachts durch. Um diese Zeit pflegte man sich noch in Diskotheken oder auf Yachten zu tummeln, oder an verschwiegenen Plätzen am Strand. Unwillkürlich lächelte sie. Sie hatte vor, Zamorra an ein solches verschwiegenes Plätzchen zu führen, wenn dieser Fall erfolgreich abgeschlossen war. Sie stellte es sich aufregend vor, in seinen Armen zu liegen und sich küssen zu lassen, während die Wellen sie halb umspielten.
Der Lift trug sie nach unten. In der Halle blieb sie überrascht stehen.
Ein schwarzhaariges Mädchen, nur mit einem Bikini bekleidet, taumelte durch die Glastür.
Nicole hob die Brauen. Für diese Nachtstunde war ein Bikini zwar nicht unbedingt die passende Garderobe, aber jeder hatte ebenso seine Marotten. Was Nicole stärker auffiel, war das Verhalten des Mädchens.
Die Schwarzhaarige schien betrunken zu sein. Sie taumelte, konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen.
Der Nachtportier erhob sich hinter dem Empfangsschalter. Stirnrunzelnd betrachtete er das Bikini-Girl. Das sank jetzt in die Knie und stürzte in die Halle, blieb reglos liegen.
Nicole spurtete los. Sie war schneller bei der Schwarzhaarigen als der Nachtportier. Sie schnupperte. Kein Alkohol! Das war eigenartig. Was war dann mit dem Mädchen geschehen?
»Das ist ja unglaublich«, ächzte der Nachtportier neben ihr.
»Das ist wahr«, bemerkte Nicole trocken. »Sie sollten mit anfassen und helfen, statt dumme Bemerkungen zu machen. Wirklich unglaublich.«
»Häh?«
»Das Mädchen wohnt doch bestimmt hier. Sonst wäre es kaum ins Plaza getaumelt. Stellen Sie fest, welches Zimmer, und helfen Sie mir, die Kleine hinaufzuschaffen. Oder sagen Sie jemandem Bescheid, der mit anfaßt.«
Sie versuchte, die Schwarzhaarige wieder aufzuwecken. Ein paar leichte Schläge auf die Wangen… in der Tat öffnete die Schwarzhaarige die Augen.
»Welches Zimmer?« fragte Nicole. »In welchem Zimmer wohnen sie?«
»Fünf… zwölf…« murmelte die Schwarzhaarige undeutlich. Ein Blick zur Schüsselgalerie verriet Nicole, daß der Schlüssel dort hing, und daß die Nachricht für den Reporter Bantao auch immer noch im Fach lag. Der war also noch nicht wieder heimgekommen.
Gemeinsam brachten sie das Mädchen in das Zimmer. Nicole durchsuchte rasch die herumliegenden Täschchen und sonstigen Utensilien und fand den Paß der Schwarzhaarigen. Das Foto stimmte. »Rafaela Moricone«, sagte sie. »Dann ist ja alles klar.« Sie drückte dem Mann ein paar Münzen in die Hand und bedeutete ihm, das Zimmer wieder zu
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