0355 - Die Bande der Nachzehrer
gesorgt und die Platte zur Seite gewuchtet. Wir, seine Erben.«
Obwohl ich damit gerechnet hatte, wurde mir doch flau in der Brust. Auch Marek reagierte ähnlich. Sein Fluch deutete Enttäuschung an.
»Ihr könnt sie nicht stoppen!« flüsterte Marco. »Ihr nicht und auch die anderen nicht. Die Nachzehrer werden über diesen Ort herfallen wie Heuschrecken, und sie werden alles vernichten, was sich ihnen in den Weg stellt.«
Mit einer schroffen Handbewegung unterbrach ich den anderen, der auch sofort schwieg und mich statt dessen lauernd anpeilte.
»Du«, sagte ich. »wirst uns jedenfalls keine Schwierigkeiten mehr machen, das kann ich dir versprechen. Du nicht, verfluchter Halunke.« Ich richtete die Waffe auf seinen Kopf und sah plötzlich die Angst in seinen Augen.
»Verdammt, du kannst mich doch nicht erschießen!« keuchte er.
»Das werde ich auch nicht. Marek, nimm du dich seiner an. Schaff ihn in den Wohnwagen und laß ihn dabei den Druck der Waffe spüren. Eine Handschelle gebe ich dir. Du kennst den Trick ja.«
»Und ob, John!«
Als Marek die Fessel von mir bekommen hatte, zog er seine Waffe. »Ich werde ihn im Wagen k.o. schlagen, sonst macht er mir noch Schwierigkeiten.« Hart packte Frantisek den wesentlich jüngeren Mann an und drehte ihn herum. Den Druck der Mündung spürte Marco einen Moment später an der Seite. »Und keine überflüssige Bewegung!«
Der andere schwieg.
Als Marek verschwand, warf er mir noch einen letzten Blick zu.
Hoffnung schwang darin. Die konnte ich auch gut brauchen, als ich abdrehte und den Stand mit den Tannenbäumen verließ.
Wohl war mir nicht.
Der Besuch dieses romantischen Weihnachtsmarktes würde für mich zu einem Horror-Gang werden…
***
Erst Minuten nach seinem Eintreffen hatte Karl Koppec die Zeit gefunden, sich um seine Frau Helga zu kümmern und mit ihr ein paar Worte zu wechseln.
Das Geschäft lief wider Erwarten prima. Den Leuten saß das Geld lockerer in der Tasche, als sie angenommen hatten, und so konnten sie Waren verkaufen wie selten.
Besonders gefragt waren die bunten Weihnachtssterne, die Karl aus dem Westen hatte einschmuggeln können.
»Die Leute sind wie verrückt danach«, sagte Helga und wärmte ihre durchgefrorenen Hände über der Platte des kleinen Kohleofens, der in einer Ecke des Standes seinen Platz gefunden hatte.
»Ja, das glaube ich.«
Helga war erstaunt. »Mehr sagst du nicht dazu?«
Ihr Mann schüttelte den Kopf und blickte an ihr vorbei auf die offene Vorderfläche des Standes. Im Moment war kein Kunde da. Er sah die zahlreichen Besucher des Weihnachtsmarktes durch die Gasse gehen. Sie wirkten hinter dem Schneevorhang wie geisterhafte Wesen. Hinzu kam das bunte Licht der kleinen Lampen, das auch die Schneeflocken nicht verschonte und sie in ihrer unmittelbaren Nähe aussehen ließ wie vom Himmel fallendes Konfetti. Die Verkaufs-Atmosphäre stimmte. Mehrere Drehorgel-Männer spielten alte Weihnachtslieder. Sie stammten aus Deutschland wie die meisten der Kunden.
»Wenn die weiterhin so kaufen, sind die Sterne bald weg«, erklärte Helga. »Das hat sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer.«
»Ja, ja, sicher.«
»Du hörst mir gar nicht zu.«
Karl schüttelte den Kopf. »Entschuldige, Helga, aber ich bin mit meinen Gedanken ganz woanders. Sicher hast du dich gewundert, daß ich so lange weggeblieben bin.«
Sie lachte. »Ist mir bei der Hektik überhaupt nicht aufgefallen.«
Er lächelte. »Schön, aber hör zu. Du hattest wohl doch recht.«
»Wie meinst du das?«
»Mit der Warnung dieses Mannes. Ich habe ihn nämlich getroffen und aus einer sehr schwierigen Lage befreit, wenn du verstehst…«
»Nein.«
»Dann gib acht.« In Stichworten und auch sehr hastig berichtete Karl Koppec, was ihm widerfahren war. Er schaute dabei nur in die staunenden Augen seiner Frau, die den Kopf schüttelte und nicht wußte, was sie noch erwidern oder kommentieren sollte.
»Ja und hast du nicht nachgefragt?«
»Nein, das habe ich vergessen. Ich wollte es auch nicht so genau wissen, aber wir müssen die Augen aufhalten.«
Die Frau lachte. »Nicht nur das, mein Lieber. Es reicht nicht, die Augen offenzuhalten. Es ist bereits zu spät. Sie sind da, das glaube ich ganz gewiß.«
»Wer?«
»Diese Wesen!« flüsterte die Frau. »Die so schmatzen und schlürfen und dich damit an den Rand des Wahnsinns bringen können. Ich finde, daß wir schon zu viel Zeit verloren haben.«
»Aber was hätten wir machen sollen?«
»Das weiß ich auch
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