0355 - Monster aus dem Mörderwald
Fenster aufzusprengen, würden die Pflanzen ebenso wie die Monstren eindringen und ihre Opfer in den Häusern selbst holen.
Es war fast dunkel. Nur Kerzenschein flackerte. Strom gab es nicht mehr. Auch die letzte Telefonleitung war inzwischen unterbrochen. Zamorra hatte zwar gehofft, daß irgendwer noch ein Funkgerät besaß, vielleicht eine CB-Station… aber in diesem Dorf hielt sich die Technik noch in engen Grenzen. Es gab keine Möglichkeit mehr, mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen.
»Wir müssen irgendwie aus Gresanne hinauskommen«, flüsterte Nicole. »Wir alle.«
Zamorra nickte. Seine Hände umklammerten das Amulett. Er hatte seine Hoffnungen auf den Dhyarra-Kristall gesetzt, aber diese Hoffnung war verloren. Wenn der Monster-Specht das Amulett an sich gerissen hätte, hätte Zamorra oder Nicole es wieder zu sich rufen können. Aber bei dem Kristall ging das nicht. Nicole hatte ihn zwar aktiviert, aber um ihn nun auch einsetzen zu können, war unmittelbarer Körperkontakt erforderlich. Er mußte berührt und gleichzeitig mit gedanklichen Befehlen gesteuert werden.
Bloß ging das nicht. Und es gab keine Möglichkeit, ihn zu bergen, nachdem er in den Fluß gestürzt war.
Zamorra preßte die Lippen zusammen. »Hilfst du mir?« flüsterte er.
»Was hast du vor?«
»Hilfe rufen«, sagte er. »Ich hoffe, daß wir durchkommen. Wenn nicht -können wir alle unser Testament machen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann diese entartete Natur uns vernichtet.«
»Wen willst du rufen?« fragte sie verständnislos. »Und wie?«
Zamorra sah an der brennenden Kerze vorbei ins Dämmerige. Kaum jemand achtete auf ihre Unterhaltung. Jeder diskutierte mit jedem die verwegensten, undurchführbarsten Pläne. Sie hatten alle begriffen, daß Zamorra ihnen mit seiner Zauberscheibe nicht mehr helfen konnte. Warum also sollten sie ihm noch zuhören?
»Gryf und Teri«, sagte Zamorra, »nur sie können uns jetzt noch helfen.«
Und er konnte nur hoffen, daß die beiden in Gryfs Hütte in Wales waren. Denn nur dort konnte er sie erreichen. Alles andere war praktisch unmöglich.
Nicole atmete tief durch. Die beiden Druiden waren tatsächlich die einzigen, die jetzt noch eingreifen konnten, dank ihrer besonderen Fähigkeiten.
»Wie kann ich dir helfen, chéri?« fragte sie leise. »Wie willst du es anstellen?«
»Ich sehe da drüben ein Telefon«, sagte Zamorra. »Wir rufen schlicht und ergreifend an…«
»Aber das Telefon ist doch zerstört, beziehungsweise die Kabel«, gab Nicole zu bedenken.
Zamorra lächelte.
»Schon mal was von Magie gehört?« fragte er. »Komm, wir versuchen es. Mehr als schiefgehen kann es nicht…«
***
Die beiden Silbermond-Druiden Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken waren häufig in Gryfs kleiner Hütte auf der Insel Anglesey im Norden von Wales, England, zu finden, seit sie sich aus Merlins unsichtbarer Burg ausquartiert hatten; daß Sid Amos dort Asyl gefunden hatte, gefiel beiden nicht. Merlins dunkler Bruder war ihnen zu undurchsichtig. Und daß er jetzt auch noch Merlins Nachfolger geworden war, behagte den beiden Druiden noch weniger.
Deshalb starteten sie ihre Unternehmungen nun nicht mehr von Merlins Burg aus, sondern von Gryfs Hütte, die in der Nähe eines kleinen Flusses weitab von einem Dorf lag. Romantisch, verträumt und nur mit dem Nötigsten ausgestattet: eine Lampe, ein Schrank, ein Tisch, zwei Stühle, ein Herd, ein Kühlschrank, ein Bett.
Und ein Telefon.
Es funktionierte prachtvoll, nur war der Anschluß bei keinem Postamt der Welt gemeldet. Die Rufnummer, unter der es anzuwählen war, existierte offiziell nicht; es war eine magische Nummer, die nur Eingeweihten wie Professor Zamorra bekannt war.
Und weil sie magisch war, hoffte er, sie auch auf magischer Basis erreichen zu können. Dabei spielte es dann seiner Hoffnung nach keine Rolle, daß der Anschluß in Gresanne nicht mehr funktionierte. Magie mußte die Brücke schlagen zum ebenfalls nicht existierenden Anschluß auf Anglesey - zum nicht offiziell existierenden.
Zamorra berührte das Telefon mit dem Amulett. Zugleich faßte er nach Nicoles Hand. »Hilf mir«, flüsterte er.
Sie aktivierte Bewußtseinskräfte, um Zamorras mentale Kräfte damit zu unterstützen. Gemeinsam steuerten sie das Amulett, das die Energien bündelte und in den Apparat sandte.
Irgend jemand sah, daß Zamorra den Hörer abnahm.
»He, dumm im Kopf oder was?« fragte er spöttisch. »Glaubst du, damit noch irgendwen erreichen zu
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