0358 - Das Gespenst aus dem Hexenforst
schließlich geschafft.
Weit kamen sie nicht.
Aus einer wellenförmigen kleinen Senke, die an zwei Seiten von Unterholz umrahmt war, kroch es lautlos hervor.
Eine weiße schwadenartige Wolke, die sich augenblicklich auf dem Weg ausbreitete.
Suko bremste.
Automatisch griff er zur Waffe, zog die Beretta aber nicht, denn im gleichen Moment erklang eine flüsternde, hohle und rauschende Stimme aus der Wolke. »Wenn ihr weiterfahrt, werde ich euch vernichten…«
***
Sergeant Holmes lag in der Badewanne.
Das wäre sogar normal gewesen, aber es befand sich kein Wasser darin, und auch den Sergeant konnte man nicht als einen Menschen bezeichnen. Er war zu einem Monstrum geworden, zu einem mutierten Wesen, einer Mischung zwischen Mensch und Pflanze.
Es war furchtbar.
Ich näherte mich ihm mit vorsichtigen Schritten, blieb am Wannenrand stehen und schaute auf ihn.
Er lag schräg auf dem Rücken. Einen Arm hatte er erhoben und die Hand um den Wannenrand geklammert. Ich sah die Finger und fragte mich, ob es überhaupt Finger waren.
Nein, diese knotigen Gebilde konnte man nicht als solche bezeichnen. Es waren Wurzeln von unterschiedlicher Länge und Dicke. Sie paßten zu der gesamten Gestalt des Zeugen, den ein unheimlicher Fluch getroffen hatte, denn auch sein Körper glich mehr dem einer Pflanze als dem eines Menschen.
Die Kleidung war zerrissen. Sie hatte dem Druck nicht mehr standhalten können, denn aus seinem Körper war das Grauengekrochen. Die zahlreichen Pflanzenarme und Blätter hatten die Haut durchstoßen, als wären es kleine Messer gewesen. Auf der äußeren Haut hatten sie sich ausgebreitet und ein dichtes Muster gebildet, das mich an die Bodendecker in einem Vorgarten erinnerte.
Braun und grün schimmerten die Blätter und die Stengel, die auch die Beine des Mannes nicht ausgelassen hatten. Ich sah die nackten Füße, bei denen ein Teil der Zehen mit einer grünen Moosschicht bedeckt war.
Dann sah ich in das Gesicht.
Seltsamerweise lag der Mund frei. Alles, was sich um ihn herum befand, war in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich sah keine Haare mehr, dafür borstige Pflanzenstengel. Auch die Augen waren aus den Höhlen gedrückt worden, dafür wuchsen kleine Blüten aus den Löchern, die weiß und rot glänzten. Die Nase war ebenfalls nicht verschontworden. Aus den Löchern drangen braune Streifen, die mich an Sirup erinnerten, es aber bestimmt nicht waren, weil sie einen harzigen Geruch verströmten.
Und ich vernahm auch das Geräusch, das mich nebenan im Zimmer aufgeschreckt hatte.
Die Pflanzen wuchsen nicht lautlos aus dem Körper. Wenn sie sich ausbreiteten, schabten sie aneinander, so daß diese unnatürlich klingenden Laute entstehen konnten.
Lebte der Mann noch?
Nach menschlichem Ermessen war es unmöglich. Ich traute mich auch nicht, die Pflanzen anzufassen und suchte nach einer freien Stelle des Körpers, die noch normal geblieben war.
Mir blieben nur die Lippen. Als ich meinen Finger darauf legte und ein wenig zudrückte, gab der Widerstand nach, und unter meiner Hand bröselte der Kopf zusammen.
Staub, kleine Blätter und Pflanzenreste blieben zurück…
Aber nicht nur an dieser Stelle. Der Druck meiner Hände mußte die Wirkung einer Initialzündung gehabt haben, denn der gesamte Körper fiel vor meinen Augen zusammen, wurde zu einem Rest, der sich nur mehr aus Staub, Blüten, Blättern und braunen Blumenstengeln zusammensetzte. Wenn ich gewollt hätte, ich hätte alles in den Abfluß spülen können. Das jedoch brachte ich einfach nicht fertig.
Wachsbleich im Gesicht taumelte ich aus dem Bad und ließ mich in der Soldatenbude auf den Stuhl sinken. Mit zitternden Händen steckte ich mir eine Zigarette an, rauchte drei Züge und drückte den Glimmstengel wieder aus.
Nein, das half auch nichts.
Vorhin, als ich den Spind geöffnet hatte, war mir eine Flasche Whisky aufgefallen. Sie holte ich hervor, drehte den Verschluß auf und nahm einen Schluck.
Meine Blässe verschwand allmählich, und in das Gesicht kehrte wieder Farbe zurück, wie ich im Spiegel an der Innentür des Spinds feststellen konnte.
Dieser Mann war auf fürchterliche Art und Weise bestraft worden. Was hatte er gesehen? Mit welch einem grauenvollen und unheimlichen Gegner hatten wir es im Hexenforst zu tun? Wer lauerte dort, damit uns unter Umständen das gleiche Schicksal widerfuhr?
Ich hatte keine Ahnung, aber es mußte das Gespenst aus dem Hexenforst sein, und wahrscheinlich war es brutaler, als wir
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