0361 - Gangstermord vor hundert Zeugen
Ernest Stecklett würde mir sagen müssen, was Mary Ann Mallone dazu veranlaßt hatte, sein Foto auf den Schreibtisch zu stellen.
***
Zwei Stunden später saßen wir wieder im Office unseres Chefs. Weder Phil noch ich dachten daran, daß wir vor einigen Stunden mit dem festen Wunsch, ausgiebig zu schlafen, nach Hause gefahren waren.
Mr. High ließ sich genau unterrichten. »Merkwürdig ist vor allem, wie diese Miß Mallone darauf kam, daß gerade Sie, Jerry, den Fall bearbeiten. Sie muß also in ziemlich engem Kontakt mit einem der Leute gestanden haben, die wissen, daß wir den Fall übernommen haben. Die Fotografie deutet auf Ernest Stecklett hin. Vielleicht wußte Miß Mallone zuviel über ihn, und er fürchtete, sie würde nicht schweigen können. Das sind natürlich alles nur Vermutungen, aber anders läßt sich, dieser Mord nicht erklären.«
»Was halten Sie davon, Chef«, meldete sich nun Phil zu Wort, »wenn Jerry und ich getrennt vorgehen? Während einer von uns Mr. Stecklett beschattet, könnte sich der andere an die Vorzimmer-Lady aus Steckletts Büro heranpirschen. Vielleicht kann man über sie an Stecklett herankommen.« Obwohl der Chef kein besonderer Freund von Alleingängen ist, stimmte er Phils Vorschlag zu.
Die Ermordung Mary Ann Mallones hatte bewiesen, daß wir jemanden in seiner Ruhe gestört hatten.
Wenn der Mann merkte, daß wir ihm weiter auf den Fersen blieben, würde er vielleicht nervös werden.
Unsere Unterredung wurde durch einen Kollegen unterbrochen, der einen Bericht auf den Schreibtisch des Chefs legte und dann wieder verschwand.
Mr. High überflog den Bericht.
»Die City Police hat festgestellt, daß Miß Mallone nicht Selbstmord begangen hat. An der Mordwaffe fehlen die Fingerabdrücke!'Ein Toter kann aber keine Spuren mehr entfernen. In der Wohnung wurden die Abdrücke zweier Personen gefunden, sie werden in unserem Archiv bereits verglichen.«
Wenige Minuten später erhielten wir die Nachricht aus dem Archiv.
Die beiden Personen, deren Prints man in Mary Ann Mallones Wohnung gefunden hatte, waren nicht registriert.
Der Chef gab Anweisung, die Abdrücke auf dem Funkwege an die Zentrale nach Washington durchzugeben.
Bevor wir allerdings von der Zentrale eine Nachricht erwarten konnten, würden einige Stunden vergehen.
In dieser Zeit sollten wir den versäumten Schlaf nachholen, meinte Mr. High. Wir folgten ihm gern.
***
Phil und ich saßen in der Telefonbox bei Sue Lattimer, dem pausbäckigen Mädchen, das uns schon sehr viel geholfen hatte. Doch diesmal konnte sie uns nichts sagen. Sie wußte nur, daß Norma Mitchum, die Sekretärin von Ernest Stecklett; irgendwo in Greenwich Village wohnte. Die genaue Anschrift konnte sie uns jedoch nicht geben.
Es blieb uns keine andere Möglichkeit, als zu warten, bis einer unserer Schützlinge das Haus verließ. Das konnte unter Umständen noch Stunden dauern.
Wir wählten unseren Standort so, daß wir sowohl den Chrysler von Ernest Stecklett als auch den Chevrolet Norma Mitchums im Auge hatten. Daß Steckletts Sekretärin diesen Wagen fuhr, hatten wir von Sue Lattimer erfahren.
Schließlich war es soweit. Die breite Flügeltür des Hauses öffnete sich. Stecklett trat auf die Straße. Ich gab Phil ein Zeichen. Als Stecklett die Tür seines Chrysler öffnete, startete ich meinen Jaguar. Stecklett war inzwischen von seinem Parkplatz auf die Straße gefahren und befand sich fünf Wagenlängen vor mir. Er sah sich noch einmal argwöhnisch um, aber anscheinend konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Er schien das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten, denn der Chrysler dröhnte beim Anfahren so, daß die Passanten stehenblieben und dem Wagen kopfschüttelnd nachsahen.
Ich hatte es nicht ganz so eilig. Die Wendigkeit meines Jaguar erlaubte einen großen Abstand zwischen mir und Stecklett.
Stecklett steuerte seinen Wagen über die Third Avenue und bog dann nach links in die Bowery ab. Von dort fuhren wir über die Manhattan-Brücke nach Brooklyn. Plötzlich bog er scharf nach rechts ab und bremste seinen Wagen vor einem Haus der Ocean Avenue.
Ich hielt ebenfalls an und wartete, was Stecklett tun würde. Als ich sah, daß er aus dem Chrysler stieg und in einem Haus verschwand, verließ ich meinen Jaguar. Wenn der Makler mir nicht entwischen sollte, mußte ich ihm dicht auf den Fersen bleiben. Ich öffnete die Tür, durch die Stecklett verschwunden war, blieb im Hausflur stehen und lauschte. Ich hoffte, die Schritte des
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