0361 - Gangstermord vor hundert Zeugen
mußte ich nur meine Taktik ändern, vielleicht hatte ich für diesen Burschen den richtigen Ton noch nicht gefunden.
»Gut, Sie wollen also auf stur schalten, Morton. Verstehe ich nicht ganz, aber das ist Ihre Sache. Sie haben wir, und Sie müssen Ihren Kopf schon hinhalten. Für heimtückischen Mord haben unsere Geschworenen nicht viel übrig.« Ich legte eine kurze Pause ein, um Morton meine Worte verdauen zu lassen.
»Was mir allerdings nicht ganz klar ist, Morton, das ist die Tatsache, daß Sie diesen Stecklett allein mit den vielen Scheinen in die Welt ziehen lassen wollen. Oder hat er Ihnen schon Ihren Anteil gezahlt?«
Das war wohl die Stelle, an der Morton empfindlich war. Sein Gesicht verzerrte sich.
»Dieser Halunke, dieser Betrüger«, schrie Morton. »Ich könnte mich jetzt noch ohrfeigen, daß ich auf den Kerl hereingefallen bin. Fünfzigtausend Dollar hat er mir versprochen, wenn unsere Geschäfte erledigt sind, und was habe ich bisher davon gesehen? Lumpige fünfzehnhundert Bucks. Aber das kommt davon, wenn man sich mit Amateuren einläßt.«
»Stecklett hat euch ganz schön angeschmiert«, bohrte ich weiter, »einer nach dem anderen verschwindet in unseren Zellen, während er sich einen guten Tag mit Koffern voller Dollars macht.«
In dem Gesicht des Gangsters war deutlich die Wut über seinen Reinfall zu lesen. Der Name Stecklett war offensichtlich ein rotes Tuch für ihn geworden.
»Okay, G-man, ich schlage Ihnen ein Geschäft vor. Ich sage Ihnen, wo Sie Stecklett finden können, und Sie versprechen mir dafür, daß meine Strafe nicht allzu hart ausfallen wird. Ist das ein Vorschlag?«
»Sie vergessen, wo Sie sich befinden, Morton«, erwiderte ich kühl, »um Geschäfte zu machen, müssen Sie sich Leute Ihres Schlages aussuchen. Über Ihre Bestrafung habe ich nicht zu entscheiden, dafür sind die Gerichte zuständig. Sollte durch Ihre Hilfe Ernest Stecklett gefaßt werden, dann werden die Geschworenen das zur Kenntnis nehmen.« Jesse Morton war immer kleiner auf seinem Stuhl geworden. Von der anfänglichen Sicherheit des Gangsters war nichts mehr übriggeblieben.
»So habe ich das auch nicht gemeint«, stotterte Morton, »wenn Sie mir sagen, daß meine Aussage im Protokoll festgehalten wird, dann reicht mir das schon. Sicher werden Sie durch meine Hilfe den Boß fassen können. Ich sehe nicht ein, weshalb er in aller Ruhe unsere Beute verjubeln soll, während wir für ihn ins Kittchen gehen. Fragen Sie, G-man. Ich bin bereit, alles zu sagen, was ich über Stecklett weiß. Allerdings rede ich nur über Stecklett. Von den Jungs verpfeife ich keinen.«
»Wo hält sich Stecklett verborgen? Kennen Sie seine Schlupfwinkel?«
Die Antwort des Gangsters kam sofort.
»Es gibt zwei Möglichkeiten, wo sich der Boß versteckt haben könnte. Er hat in der Nähe des Dyker Beach Parks eine kleine Wohnung gemietet. Sie liegt in der 86. Straße, das Haus hat die Nummer 94. Aber wahrscheinlich werden Sie ihn woanders finden. Was ich Ihnen jetzt erzähle, das dürfen Sie aber auf keinen Fall Norma Mitchum wissen lassen«, auf seinem Gesicht erschien ein hämisches Grinsen, »die kratzt Ihnen sonst die Augen aus, Stecklett hat nämlich in Greenwich Village eine neue Freundin. Soviel ich weiß, ist sie Modell. Ich habe ihr einmal etwas von Stecklett bringen müssen, daher kenne ich die Wohnung. Sie liegt in der Tompson Street, genau an der Ecke der 3. Straße. Das Mädchen heißt Joan Porter. Sie bewohnt eine Mansardenwohnung im siebten Stock.«
Morton schwieg und blickte sich triumphierend um. Die Tatsache, daß er mit dieser Aussage seinem Boß eins ausgewischt hatte, schien ihm eine große Genugtuung zu sein.
Er sah uns an und wurde unsicher.
»Sie glauben mir wohl nicht?« fragte er zaghaft. »Sie können sich darauf verlassen. Jedes Wort stimmt. Wenn Sie sich beeilen, dann werden Sie Stecklett noch erwischen. Dann kann er sehen, wo er mit seiner Beute bleibt. Im Kittchen kann er damit sowieso nichts anfangen. Und noch einen Tip will ich Ihnen geben. Fragen Sie ihn doch mal nach einer Mary Ann Mallone. Ich bin gespannt, was er Ihnen darauf antworten wird.«
Phil hatte jedes Wort des Gangsters auf Band genommen. Henk Visser hatte die ganze Zeit schweigend an meinem Schreibtisch gesessen.
Ich ließ Jesse Morton durch einen Kollegen wieder in seine Zelle schaffen.
Dann hörten wir noch einmal die Bandaufnahme ab. Die beiden Adressen notierte ich mir auf einem kleinen Zettel.
»Jerry, ich schlage vor,
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