0361 - Gangstermord vor hundert Zeugen
wir besprechen die ganze Sache mit Mr. High«, meinte Phil. »Während wir nach Greenwich Village fahren, muß die Wohnung am Dyker Beach Park überwacht werden. Und nach Greenwich Village sollten auch ein paar Kollegen mitkommen. Stecklett soll uns nicht noch einmal durch die Lappen gehen.«
Ich stimmte zu, und Phil meldete uns bei Mr. High an.
***
Mr. High wirkte — trotz der frühen Stunde — ausgeglichen wie immer. Er lächelte uns freundlich an. Wenn man Chef eines FBI-Distrikts ist, kennt man keine Dienststunden. Der Chef wußte schon, daß Henk Visser uns bei der Klärung des Falles assistierte.
Mr. High mobilisierte sofort einige unserer Kollegen, die Steckletts Wohnung am Dyker Beach Park überwachen sollten. Weitere Kollegen sollten uns in den Schlupfwinkel in Greenwich Village begleiten.
Jetzt war jede Minute kostbar. Wir wollten endlich unseren alten Bekannten Ernest Stecklett Wiedersehen.
***
In Greenwich Village haben sich Künstler aller Schattierungen niedergelassen. Fotografen, Maler, Architekten, Sänger, Schauspieler und Ringkämpfer machen aus dem »Village« den farbigsten Stadtteil New Yorks. Die Einwohner genießen meist Narrenfreiheit, und das ist ein Grund, warum auch Verbrecher diese Gegend unsicher machen. Sie wollen von der Gelassenheit, mit der der New Yorker Normalbürger dem Treiben im Künstlerviertel zusieht, profitieren.
Das Haus, das wir suchten, befand sich im Zentrum dieses Stadtteils.
Wir wagten es nicht, bis vor das Haus zu fahren. Zu dieser Zeit wäre die Anfahrt zweier Wagen sicher aufgefallen, denn wer in Greenwich Vülage wohnt, steht meist nicht um 5 Uhr früh auf.
Ich teilte zunächst die drei Kollegen, die uns begleiteten, zu unserer Rückendeckung ein, dann setzten wir uns in Trab.
Die Jungs würden uns nach einiger Zeit folgen und sämtliche Ausgänge des Hauses besetzen. Hoffentlich hatten wir diesmal mehr Glück.
Wir schlenderten über die 3. Avenue und gingen erst schneller, als wir die Thompson Street erreichten. Das Haus an der Ecke war unser Ziel. Wir eilten auf den Eingang zu.
Da es keinen Lift gab, mußten wir wohl oder übel die Treppen hinaufsteigen.
Steckletts Freundin hätte sich ruhig eine Wohnung in einem der unteren Stockwerke mieten können, denn die siebente Etage erreichten wir alle heftig keuchend.
Nun wurde es kritisch. Wenn Stecklett wirklich in der Wohnung dieses Mädchens war, dann würde er sich bestimmt nicht freiwillig in unsere Hände begeben.
Wir schauten uns die Türen an, bis wir auf einer Visitenkarte, die mit einer Reißzwecke angeheftet war, den Namen Porter lasen. Wir waren also goldrichtig.
Phil klingelte. Wir warteten einige Zeit, ohne ein einziges Geräusch zu hören.
Phil wiederholte sein Manöver, und wir warteten weiter. Schließlich mußten wir damit rechnen, daß Miß Porter zu nachtschlafender Zeit im Bett lag. Nach zwei Minuten regte sich hinter der Tür etwas. Leichte, tappende Schritte näherten sich.
Die Tür wurde eine Handbreit geöffnet, gerade so weit, wie die Sperrkette zuließ.
Ich sah in das Gesicht einer etwa fünfundzwanzigjährigen Frau, der man ansah, daß sie eben noch in tiefem Schlaf gelegen hatte. Langes blondes Haar fiel über die Stirn und verdeckte eine Hälfte des Gesichts.
Die Kleine riß die Augen auf.
»Was wünschen Sie? Ich glaube, Sie haben sich in der Tür geirrt.«
»Miß Joan Porter?« fragte ich.
Sie nickte.
»Aber wer sind Sie, und was wollen Sie von mir? Ich kann mich nicht erinnern, Sie jemals gesehen zu haben.«
»Das spricht für Sie, Miß Porter. Wollen Sie uns bitte eintreten lassen? Wir sind FBI-Agenten und müssen Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Allerdings läßt sich das zwischen Tür und Angel schlecht erledigen.«
Joan Porter war erschreckt zurückgefahren, als sie den Namen unserer Dienststelle hörte. Sie nahm sofort die Sperrkette aus der Halterung und öffnete die Tür.
Jetzt konnten wir uns die Frau etwas näher ansehen. Sie trug einen blauen Morgenmantel, der ihre Figur fast völlig verbarg. Ihre Füße steckten in kleinen rosafarbenen Pantoffeln. Stecklett hatte eine ausgezeichnete Wahl getroffen.
»Ich kann mir zwar immer noch nicht vorstellen, was Sie von mir wollen, aber treten Sie näher. Sehen Sie sich aber nicht um, bitte, denn bei mir sieht es im Augenblick nicht sehr aufgeräumt aus. Wie sollte ich auch wissen, daß ich schon zu so früher Stunde den Besuch dreier FBI-Agenten erhalten würde.«
Bei dem letzten Satz
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