0363 - Der Gnom mit den sieben Leben
Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen. Unter der Schläfenhaut zuckten die Adern, und er atmete schnaufend durch die Nase.
Für ihn war eine Welt zusammengebrochen. »Er ist tot!« flüsterte Braker. »Verdammt, er ist tot…« Der Nachtclubchef beugte sich vor und schüttelte den Kopf. »Der ist tatsächlich tot!« schrie er plötzlich.
»Einfach so gekillt. O verdammt!« Er drehte sich um, stierte die an der Bar stehende Della an, die soeben ihr geleertes Champagnerglas zur Seite stellte. »Hast du das gesehen?«
»Ja.«
Tassilo hob die Schultern. »Ich begreife es nicht, zum Teufel. Kommt hier rein, fällt um, ist tot. So mir nichts, dir nichts. Das kann doch nicht…«
»Hast du Feinde?«
»Ja, zum Henker!«
»Dann solltest du verschwinden!«
»Nein, er bleibt!«
Es war eine rauhe und gleichzeitig scharf klingende Stimme, die diese Worte gesprochen hatte. Und sie waren von der offenstehenden Tür her geklungen.
Um dorthin schauen zu können, mußte sich der Nachtclubchef umdrehen. Er tat es langsam, fast bedächtig, und er sah den Schatten einer sehr kleinen Gestalt.
Das blieb nicht so, denn der andere ging vor. Den ersten Schritt, den zweiten.
Damit geriet er in den Schein einer Deckenlampe, die ihren Strahl schräg nach unten schickte.
Die Augen des Tassilo Braker wurden groß. Er schüttelte auch den Kopf, denn der Typ, der dort stand, war ein Verwachsener. Ein Zwerg, ein Gnom.
Hatte er den Dolch geschleudert?
Tassilo Braker blickte ihn an. In seine Augen war ein kaltes Glitzern getreten, und in den Pupillen schimmerte plötzlich das Wissen um den Täter. »Du«, sagte er, »du verfluchter Bastard hast ihn umgebracht. Gib es zu, Hund!«
Der Gnom grinste schief. »Ja«, hauchte er, so daß Tassilo angst und bange wurde. »Ja, ich war es!«
Braker zeigte sich entsetzt und konsterniert. Aber die Überraschungen hatten noch kein Ende genommen, denn er hörte plötzlich die Frage des Mädchens, die ihn fast von den Beinen haute.
»Weshalb hast du das getan, Vater?«
Vater!
Della hatte das Wort nur leise ausgesprochen, dennoch war es dem Mann wie ein Schrei vorgekommen.
Vater!
Dieser bucklige Widerling war der Vater dieser Schönheit an der Bar. Das durfte nicht wahr sein, das war verrückt, einfach zum Lachen.
Tassilo Braker schaute ihn an. Er wollte diesen Mann, der eine so schöne Tochter besaß, genau sehen, von Kopf bis Fuß. Und was er da zu sehen bekam, ließ ihn schauern. Der Mann besaß keinen normalen Kopf. Was auf seinen Schultern wuchs, war schon eine entstellte Kugel. Ein pockennarbiges Gesicht, darin ein schiefer Mund, dessen Lippen wie große Geschwüre wirkten. Kein einziges Haar lag auf seinem Schädel. Das wenigstens hatte er mit dem ermordeten Leibwächter Stoke gemeinsam.
Im Verhältnis zum Körper kamen dem Betrachter die Arme überlang vor. Sie pendelten zu beiden Seiten wie die bei einem Gorilla.
Die Ohren paßten ebenfalls nicht. Sie wirkten angeklatscht, wie flache Stücke Fleisch, in die ein Relief eingezogen war.
Der Gnom trug eine dunkelrote Jacke und eine grüne Hose. Seine Hände waren leer, aber in einem Gürtel, der sich um die schiefe Hüfte spannte, steckten noch mehr Messer.
Für Tassilo Braker gab es keine andere Möglichkeit. Dieser Kretin hatte das Leben seines Leibwächters auf dem Gewissen, und er war der Vater eines so schönen Mädchens.
Um eine Schrittlänge trat der Nachtclubchef zurück. Er war bleich geworden. Unter den Achseln, auf der Stirn und selbst im Haarwirrwarr auf der Brust hatte sich der Schweiß gesammelt, und er spürte die Kleidung an seinem Körper kleben.
Der Bucklige, mochte er auch noch so klein sein, verbreitete eine Aura des Schreckens und der Gewalt, die Tassilo Braker sehr deutlich spürte. Sie strich wie ein Hauch über sein Gesicht.
Noch lag der Tote zwischen den beiden Männern, das änderte sich, als der Bucklige vorging. Braker kam nicht umhin, dessen geschmeidigen Gang zu bewundern. Dieser Mensch bewegte sich wie ein Tänzer, under ging absolut lautlos.
Zudem wollte er zu Braker!
Der blieb stehen. Er konnte nicht mehr weiter, er mußte sich dem anderen stellen, und er dachte daran, daß er unter der Achsel den Magnum Revolver trug.
Mit ihm hatte er lange nicht mehr geschossen, so etwas überließ er anderen. Nun war er gefordert, und er würde es diesem Killer schon zeigen. Sterben sollte er, unter den Geschossen zusammenbrechen, das nahm er sich vor, als er mit einer gedankenschnellen Bewegung die Waffe aus
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