0363 - Der Gnom mit den sieben Leben
drang, wurden die Gebeine auch nicht bewegt. Starr blieben sie hängen oder sitzen.
Mich schauderte bei diesem Anblick. Skelette und ein Killer. Was brauchte man mehr, um einen Horror zu erleben?
Als sich der Gnom noch tiefer hinabbeugte, setzte auch ich mich in Bewegung. Ich blieb dabei auf der Stufe. Jane wußte ich in meinem Rücken, schaute kurz über die Schulter und sah nur mehr ihren Schatten. Zum Glück hielt sie sich zurück.
Schräg konnte ich nach unten blicken! Die direkte Verlängerung meiner Blickrichtung bildete der Rücken des Gnoms.
Den rechten Arm hielt er hoch. Ein Lichtreflex fing sich auf der Klinge und ließ sie funkeln.
Mir kam es grausam vor.
Mit der linken Hand stützte ich mein rechtes Gelenk. Ich durfte mir keinen Fehlschuß erlauben.
Und einen Moment später peitschte meine Stimme auf. »Weg mit dem Messer!«
Der Bucklige hörte meine Stimme, blieb stehen und traute sich auch nicht, seinen rechten Arm nach unten zu bewegen. So schwebte das Messer über dem Körper des Mädchens, dessen Leben ich vorerst gerettet hatte. Allerdings öffnete der Verwachsene auch nicht seine Faust, er rührte sich überhaupt nicht.
Noch hatte mich der Gnom nicht gesehen. Starr schaute er in eine andere Richtung. Erst als ich vorging und meine Schuhsohlen knirschende Geräusche auf den Stufen hinterließen, drehte der andere den Kopf und blickte zu mir hoch.
Er stand ziemlich günstig. Der Schein einer für mich nicht sichtbaren Lampe traf sein Gesicht. Er gab der verwüsteten Haut einen grünlich roten Schimmer und ließ den offenstehenden Mund wie eine düstere Höhle aussehen.
Auch die Augen hatten einen anderen Glanz bekommen. In den Pupillen spiegelte sich die Farbe des Lichts.
Auf der drittletzten Stufe blieb ich stehen. Noch immer hatte ich die Mündung auf den Gnom gerichtet. Nur war der Schußwinkel jetzt flacher geworden.
»Weg mit der Waffe!« Abermals forderte ich ihn dazu auf, doch er schüttelte den Kopf.
»Bist du gegen Kugeln gefeit?«
Wieder bewegte er verneinend seinen Schädel. Er hatte wohl keine Lust, zu reden. Dafür tat er etwas anderes. Er bewegte einen Arm zur Seite. Die Hand blieb dabei in gleicher Höhe, nur zeigte die Dolchspitze nicht mehr auf das Mädchen, sondern zielte direkt daneben.
Ich nickte. »Laß es fallen!«
Er öffnete die Faust. Alles bei ihm kam mir vor, als würde er sich nur mehr unter großen Mühen bewegen. Selbst der Dolch schien langsamer zu Boden zu fallen. Mit der Spitze stieß er auf den Felsen, bevor er kippte.
»Wer bist du?« fragte ich.
Der Verwachsene hob die Schultern. »Du kannst mich nennen, wie du willst, Fremder. Sage meinetwegen Rigoletto.«
»Wie der Narr aus der gleichnamigen Oper?«
»Genau.«
»Und was hast du mit ihm zu tun?«
Er grinste breit. »Viel, Fremder, sogar sehr viel. Auch Rigoletto hat getötet. Er steckte seine Tochter in einen Sack…«
»Ja. Nur tötete der aus Versehen.«
»Sie ist auch meine Tochter!« erklärte mir der Verwachsene lapidar und lächelte.
Ich erschrak. Das mußte mein Gegenüber wohl gesehen haben, denn er schüttelte den Kopf und wollte sich köstlich amüsieren.
»Glaubst du es nicht?« setzte er nach. »Dann frag sie doch. Schade, du kannst es nicht mehr. Aber du hattest recht. In der Oper hat Rigoletto seine Tochter aus Versehen getötet. Ich bringe sie vorsätzlich um, weil mich dieses Biest verraten hat.«
»Inwiefern?«
»Sie ging zu einem anderen. Sie wollte nicht mehr bei mir bleiben. Deshalb muß sie sterben.«
»Ich wäre auch nicht bei dir geblieben.«
»Du bist weder meine Tochter noch mein Sohn. Sie hat die Pflicht, bei dem Vater zu bleiben.«
Ich winkte mit der freien Hand ab, da ich nicht vom eigentlichen Thema wegkommen wollte, das mich interessierte. Möglichst schnell wollte ich zum Kern des Problems gelangen. Mit dem Daumen der linken Hand deutete ich nach links und rechts, wobei ich jeweils die beiden Knöchernen meinte. »Was sollen die Skelette hier?«
»Sie sind ein Andenken.«
»Für was?«
»Kann ich dir sagen. Die beiden waren Typen wie du. Sie drangen hier ein, und sie wollten mich erledigen. Dabei hatten sie das Pech, daß ich stärker war als sie. Aus diesem Grunde habe ich sie aufhängen und anketten lassen. Im Laufe der Jahre sind sie vermodert. Das ist der Lauf der Dinge, wenn man mich zum Feind hat.«
»Dann bist du ein Mörder und Folterknecht.«
»Ja, der bin ich.«
Die Antwort traf mich hart. Ich mußte schlucken und ging die letzten drei
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