0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
helfen kann, weiß ich nicht. Vielleicht müssen die beiden es selbst versuchen.«
»Sich zu befreien? Dann hätten sie es längst getan, Sir. Es muß da ein Hindernis existieren, das ich zunächst einmal durchbrechen werde, um an die beiden heranzukommen.«
»Kennen Sie das Hindernis?«
»Nein.«
»Dann sind Sie sehr optimistisch.«
»Bleibt mir etwas anderes übrig, Sir?«
»Leider nicht.« Mein Chef schaute mich an. »Nehmen Sie den Wagen bis zum Ziel?«
»Das hatte ich vor.«
»Denken Sie an das Wetter, John. In den letzten Tagen hat es zahlreiche Hiobsbotschaften gegeben, die gerade das Wetter und dessen Folgen betrafen. Glatteis, Schnee…«
»Pluckley hat keinen Flughafen, und warten will ich auch nicht.«
Sir James lächelte und erhob sich. »Das verstehe ich durchaus.«
Über den Schreibtisch hinweg reichte er mir die Hand. »Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg, John. Holen Sie endlich die beiden zurück, wir sind sonst zu sehr geschwächt.«
»Ich versuche es.« Mit diesen Worten verließ ich das Büro. Nur wenige Schritte brauchte ich zu gehen, um mein Office zu erreichen.
Im Vorzimmer telefonierte Glenda Perkins. Sie hörte mich kommen und drehte sich – den Hörer noch am Ohr – um. Mit der freien Hand winkte sie mir zu.
Neben ihr blieb ich stehen. »Was ist denn?«
»Warte, Shao, ich gebe ihn dir.« Sie reichte mir mit einem Nicken den Hörer.
Ich meldete mich. Shaos Stimme klang besorgt. »Hast du mit Sir James geredet?«
»Ja.«
»Und?«
»Ich fahre nach Pluckley.«
»Allein?«
Das letzte Wort hatte Shao so seltsam ausgesprochen. »Das hatte ich eigentlich vor.«
»Nein, John, ich komme mit dir.«
Tief atmete ich ein. »Wieso denn? Was willst du in diesem Gespensterdorf? Wenn es hart auf hart kommt, kann der ganze Fall lebensgefährlich werden.«
»John«, erklärte sie. »ich habe mich entschieden. Nimmst du mich nicht mit, fahre ich allein.«
Zuzutrauen wäre es Shao schon. Um diesem Risiko aus dem Wege zu gehen, stimmte ich zu. »Du weißt, daß dies einer Erpressung gleichkommt?« fragte ich sie.
»Nein, das sehe ich anders.«
Ich lachte. »Kann ich mir denken.«
»Wann kommst du vorbei?«
»So rasch wie möglich.«
»Okay, ich habe schon gepackt. Bis gleich dann.« Shao war sehr kurz angebunden und legte auf.
»Was ist denn?« fragte mich Glenda.
Ich hob die Schultern und hockte mich auf die Schreibtischkante.
»Sie will mit.«
»Auch das noch.« Glenda zeigte sich erschreckt und preßte ihre Hand gegen die Lippen. »Das ist doch gefährlich.«
»Habe ich ihr auch gesagt. Nur, kann man es ihr verübeln? Ich nicht. Sie hängt an Suko, sie ist seine Freundin oder Partnerin. Sheila hätte sicherlich ebenso gehandelt, aber sie muß auf Johnny achtgeben. Na ja, mal sehen.«
»Gib nur auf sie acht!« flüsterte Glenda.
»Ich werde mich bemühen.« Aus meinem Büroraum holte ich noch den Mantel und hängte ihn mir über.
Nach Pluckley wollte ich fahren. Als ich daran dachte, schüttelte ich den Kopf. Bisher hatte ich von Englands berühmtesten Gespensterdorf nichts gehalten.
Sollte ich mich täuschen?
***
Fast an der Stelle, wo vor langer Zeit die Zigeunerin verbrannt worden war, existierte nun eine kleine Steinbrücke. Sie führte über den Fluß.
Auch in Pluckley war der Winter eingezogen. Es hatte geschneit, sehr stark sogar, und anschließend war der Frost gekommen, so daß der Schnee liegenblieb.
Bis weit unter den Gefrierpunkt war die Temperatur gefallen. Auf den Seen und Teichen lag eine dicke Eisschicht, über die sich besonders die Kinder freuten. Schlittschuhlaufen war »in«.
Viel interessanter war der Fluß. Er war nicht zugefroren, obwohl nicht mehr viel fehlte, denn einige Eisschollen trieben auf der Oberfläche oder wurden in die Ufernähe gedrückt, wo sie sich am Rand festhakten oder übereinanderschoben.
Der Fluß zog auch die Kinder an. Obwohl die Eltern es ihnen verboten hatten, schlichen sie heimlich ans Ufer, um mit den Eisschollen zu spielen. An diesem Morgen jedoch war es so kalt, daß die meisten Kinder es vorzogen, in den Häusern zu bleiben.
Da die Heizung in der Schule nicht funktionierte, war der Unterricht ausgefallen.
Margie Tenbroke und Larry Gold hatten sich verabredet. Sie waren beide schon älter, Larry 15, Margie 14, und sie gingen zusammen, wie man es so schön sagte.
Es war eine Jugendliebe, die wie ein heißes Feuer in den beiden brannte, von den anderen Menschen im Dorf jedoch nicht wahrgenommen worden
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