0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
erinnern, und er rechnete damit, daß Carmen nun Rache nehmen wollte.
Diablo sah das Ende seines Lebenswegs dicht vor sich. Da nutzten ihm auch seine Waffen nichts mehr, denn die Arme konnte er nicht bewegen. Zu hart hielten die Kettenglieder ihn fest.
Diesmal kam der Wind. Er fuhr in die Asche des Scheiterhaufens und wirbelte sie in die Hohe. Der Folterknecht glaubte schwarzen Schnee zu sehen.
Aus dem »schwarzen Schnee« kam sie.
Es war eine Gestalt, und sie ging sehr langsam, denn sie hatte Zeit. Zunächst sah der Gefangene nur die sich bewegenden Umrisse und hoffte auf eine Täuschung. Das war nicht der Fall, denn die Zigeunerin, die eigentlich hätte verbrannt sein müssen, kam auf ihn zu!
Sie trug noch immer die gleiche Kleidung wie in der Folterkammer. Die Flammen schienen sie überhaupt nicht berührt zu haben. Der weite blaue Rock schwang bei jeder Gehbewegung, und der Nachtwind drückte die blaue, weit ausgeschnittene Bluse hart gegen den Körper, so daß sich die Brüste deutlich abmalten.
In den Ohrläppchen leuchteten die goldenen Ringe. Nur etwas war geblieben.
Das Brandmal.
Es überstrahlte alles, denn es leuchtete in einem sehr intensiven Rot in ihrem Gesicht. Ein blutiger Halbmond, den das glühende Eisen hinterlassen hatte.
Diablos Zeichen!
Ein Mahnmal für die Ewigkeit, wobei er sich fragte, wer in die Ewigkeit eingehen würde.
Mit wiegenden Hüften und einem nahezu lässigen Gang schlenderte sie durch die Asche, wirbelte sie zu kleinen Wolken hoch und legte ein Lächeln auf ihre Lippen.
Kein Reisig hinderte sie mehr daran, sich dem Gefangenen zu nähern. Zwei Schritte vor ihm blieb sie stehen, stemmte ihre Hände in die Hüften und nickte.
»Ich bin zurückgekehrt«, sagte sie mit einer völlig normal klingenden Stimme. »Wie ich es dir versprochen hatte.«
Der andere starrte sie an. Das Gesicht des Folterknechts hatte sich verzerrt. Offen stand der Mund. Er versuchte verzweifelt, nach Luft zu schnappen, es gelang ihm nur schwerlich, und aus seinen Augen schossen die ersten Tränen.
Sie rannen an seinem Gesicht herab und vermischten sich dort mit den festklebenden Ascheteilchen.
»Du… du … mußt verbrannt sein!« ächzte er. »Das Feuer muß dich getötet haben. Du bist ein Geist, ein Spukbild.«
»Nein, das bin ich nicht, und ich kann es dir auch beweisen.« Sie sprach langsam, sehr deutlich, damit der andere auch jedes Wort verstehen konnte.
Dann ging sie auf ihn zu, streckte den Arm aus und berührte den Mann am Pfahl.
Der Folterknecht spürte die Finger der Frau. Sie glitten über seinen Arm bis hoch zur Schulter, verweilten dort und kniffen in sein Fleisch. »Na?«
»Du lebst!«
»Ja, ich lebe. Hatte ich dir nicht etwas von diesen Geheimnissen gesagt? Von einer Magie, die du nicht kennst, die fern von hier und in einer anderen Welt geboren ist und die sogar den Tod überwinden kann? Hatte ich dir das nicht gesagt?«
Der Folterknecht deutete ein Nicken an.
»Und diese Magie steht auf unserer Seite, das heißt, auf meiner. Sie sorgt dafür, daß ich allein es schaffen kann. Die Zeiten sind für mich nicht existent, ich kann sie überwinden, aber jeder, der an diesem Ort, wo du mich hast verbrennen wollen, vorbeikommt, wird sie spüren, und meine Rache mit auf den letzten Weg nehmen. Das kann ich dir versprechen, du verfluchter Folterknecht.«
Diablo stand Todesängste aus. Carmen hatte ihm nichts getan, ihn nicht gefoltert, ihn auf keine Streckbank gespannt, nur eben die Ketten hielten ihn fest wie Klammern.
Man konnte dies als kleine, vielleicht harmlose Folter bezeichnen.
Die andere aber war schlimmer.
Ein seelischer Druck, der sein Inneres in eine glühende Hölle verwandelte. Heiße Angstströme hielten ihn fest, durchtosten seinen Körper, und manchmal sah er die vor ihm stehende Frau nur mehr verwaschen.
Wieder bereitete ihm das Sprechen Mühe und es waren bettelnde Worte, die er regelrecht ausspie. »Ich… ich möchte mich entschuldigen«, sagte er stotternd. »Ich mußte es tun, aber dir ist nichts passiert. Wirklich nicht. Bitte, laß Gnade walten!«
»Gnade?« Carmen lachte auf, warf ihren Kopf von einer Seite auf die andere. »Das glaubst du doch nicht? Ich soll dich begnadigen? Hast du Gnade gekannt? Haben deine Opfer nicht geschrien, gebettelt und gefleht? Aber du hast dich daran ergötzt. Nein, jetzt bist du an der Reihe!«
»Aber du lebst!«
»Wirklich?« Sie spreizte die Arme. »Woher willst du wissen, ob ich tatsächlich lebe?«
Er begann zu
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