0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
Sonne kann er nicht stammen, denn die ist nicht zu sehen. Nur eine Wolkendecke befindet sich am Himmel.«
»Ich lüge nicht, Jerry!« erklärte Burns.
Wir hatten hier nichts mehr verloren. Deshalb stieß ich die neben mir stehende Shao an. »Komm, laß uns verschwinden.«
»Gehen Sie zur Kirche?« Wir hörten die Frage des Bürgermeisters auf dem Flur, eine Antwort bekam er von mir nicht. Es war viel wichtiger für uns, die Kirche und somit auch den Küster zu erreichen, der uns mehr sagen konnte.
Ich ahnte inzwischen, daß dieses neue, noch nicht namentlich bekannte Gespenst unmittelbar mit unserem Fall zu tun hatte, und ich würde alles daransetzen, um das auch herauszufinden.
Die kleine Menschenmenge vor dem Haus hatte sich noch nicht aufgelöst. Nach wie vor standen die Leute da und schauten in den Himmel, wo sich tatsächlich der unheimliche Schatten abmalte. Ich lief bis auf die Straße und sah ihn so, wie Burns ihn beschrieben hatte.
Diagonal fiel er über das Dorf. Wie eine breite, unheimliche Warnung kam er mir vor, und von ihm ging eine Drohung aus, die auch die Einwohner spürten, denn niemand von ihnen wagte es, auch nur ein Wort zu sagen. Sie blieben stumm und schauten gegen die bleigraue Wolkendecke, da niemand etwas mit diesem Schatten und dessen Herkunft anfangen konnte. Er besaß tatsächlich die Umrisse eines Menschen. Ja, das war eine Frauengestalt, die sich dort abzeichnete. Den Kopf sah ich nicht, erkannte allerdings an den dunklen Konturen die Umrisse eines gut proportionierten Körpers.
So wie ihn auch die Zigeunerin gehabt hatte.
War sie es wirklich?
Ich konzentrierte mich auf mein Kreuz. Wenn die große Bedrohung vorhanden war, mußte doch von ihm eine Reaktion erfolgen, aber da tat sich überhaupt nichts.
Es blieb ruhig und glänzte mattsilberfarben. Grünliches Licht, das eventuell auf eine Druidenmagie hingewiesen hätte, entdeckte ich nicht.
Allmählich wurde ich nervös.
»Wollten wir nicht zur Kirche?« fragte Shao.
»Natürlich.« Ich kannte mich in Pluckley nicht aus. Den Kirchturm hatte ich zwar bei der Herfahrt gesehen, wußte jedoch nicht, wie ich auf dem schnellsten Weg zu ihm kommen konnte. Deshalb wandte ich mich an die Dorfbewohner und erkundigte mich nach dem Ziel.
»Zur Kirche?«
»Ja.«
Man erklärte uns den Weg. Die Hälfte vergaß ich, weil wir durch zahlreiche Gassen mußten. Ich bedankte mich dennoch, denn irgendwie würde ich den Bau schon finden.
Als wir gingen, sagte Shao leise: »Jetzt fehlen uns nur noch Suko und Bill…«
Die Stadt hatte sich verändert. Nicht äußerlich, die Atmosphäre war eine andere geworden. Man konnte sie als bedrückend, als schaurig, als unheimlich bezeichnen, und dafür trug dieser überdimensionale menschliche Schatten Sorge, der wie ein breites Band die Stadtzerschnitt.
Auf unserem Weg zum Ziel waren wir einige Male in seine direkte Nähe gelangt und hatten ihn auch durchschritten. Beim ersten Mal war es mir gar nicht so aufgefallen, bei der zweiten Durchquerung aber merkte ich es genau.
Da tat sich etwas.
Innerhalb des Schattens lauerte eine gefährliche Magie, die auch an meinem Kreuz nicht spurlos vorüberging, denn ich merkte, daß es anfing, sich zu erwärmen.
Ich wollte Genaueres wissen, holte mein Kreuz aus der Tasche hervor und schaute es mir an.
Da ich innerhalb des Schattens stehengeblieben war, sah ich sehr deutlich die Veränderung. Seine silberne Farbe war von der einer grünen zurückgedrängt worden! Es gab keinen Zweifel mehr, ich hatte es hier mit einer Druidenmagie zu tun!
Das sagte auch Shao, die ebenfalls über den Dunklen Gral oder Aibon Bescheid wußte.
»Sie ist gefährlich, nicht wahr?«
»Ja. Ich weiß nie, woran ich bei ihr bin«, erwiderte ich. »Das Gebiet ist einfach zu unerforscht.«
»Und was können Bill und Suko damit zu tun haben?«
»Möglicherweise sind sie auf ihrer seltsamen Reise auf die Druidenmagie gestoßen. Das werden wir hoffentlich von ihnen selbst erfahren.«
Shao hob die Schultern. »Ich hoffe, daß ich es schaffe. Weißt du, John, bisher habe ich mir nie etwas darauf eingebildet, die Letzte aus der Ahnengalerie der Sonnenkönigin Amaterasu zu sein. Nun hoffe ich, daß mir dieses Erbe helfen wird.«
»Ich auch.«
Wir waren während unseres letzten Gesprächs weitergegangen und konnten in einer großen Lücke zwischen zwei Gehöften den schlanken Kirchturm erkennen.
Es war nicht mehr weit.
Wir gingen die Straße durch und erreichten schließlich das
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