Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod

0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod

Titel: 0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
selbst wie ein Gespenst. Sein Gesicht war bleich. Hinzu kam der krumme Gang des Mannes, die dunkle Kleidung und auch der schwarze Pullover, den er trug. Auf seinem gebogenen Nasenrücken saß das Gestell einer einfachen Nickelbrille. Unnatürlich blasse Augen schauten uns durch die Ränder an. Mund und Kinnpartie gingen ineinander über.
    Seine Hände, die er übereinandergelegt hatte, erinnerten an knotige, kleine Zweige. Die weißen Haare standen von seinem Kopf ab wie lange Federn.
    Wir ließen ihn kommen. Dicht vor uns blieb er stehen. »Es ist eine schöne Kirche, nicht wahr?« fragte er flüsternd.
    »Ja, das ist sie«, sagte ich.
    Er nickte, schaute in die Runde, auch gegen die gewölbte Decke und sagte: »Ich hoffe, daß es auch so bleibt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Er löste die Hände voneinander und winkte ab. »Ach, nicht der Rede wert.«
    »Sind Sie der Küster?«
    Der Mann hob den Kopf. »Interessiert Sie das?«
    »Ja. Wenn Sie es sind, dann haben wir den gefunden, den wir suchten.«
    Der Mann nickte. »Ich bin Winston, der Küster, das Faktotum und auch der einzige, der Bescheid weiß. Nur wollen die Leute im Ort nicht an mich glauben.«
    »Wir sind anders.«
    »Ihr seid fremd.«
    »Sogar aus London«, sagte Shao.
    »Von der Zeitung?« Er stellte die Frage lauernd. Wahrscheinlich hatte er mit Reportern üble Erfahrungen gemacht.
    »Keine Sorge. Sehen wir so aus?«
    »Nein, aber das hat nichts zu sagen. Viele kommen her, tun interessiert und lachen mich anschließend aus.«
    »Wir sind wegen des Schattens gekommen.«
    »Ihr habt ihn gesehen?«
    »Natürlich. Sie nicht?«
    »Nein, mein Freund, ich habe ihn nicht gesehen. Dafür gespürt. Er ist da, der Fluch hat sich erfüllt. Habt ihr nicht das Wimmern vernommen?«
    »Es war deutlich genug.«
    »Das ist der alte Geist, der tief in den Mauern wohnt. Auch er merkte, daß etwas nicht stimmte.« Winston, der Küster, atmete schwer. »Es wird wohl das Ende dieser Kirche sein. Ihr Bau stand unter keinem guten Stern.«
    »Dieser Geist«, sagte ich. »Zu wem gehört er?«
    »Das war eine alte Nonne, die hier lange Zeit gewohnt hat und jeden Tag beten ging. Irgendwann einmal ist sie in der ersten Bank dort umgebracht worden. Man hat sie erdrosselt. Seit dieser Zeit findet ihr Geist keine Ruhe mehr…«
    »Und weshalb wurde sie erdrosselt?« fragte ich.
    »Das weiß ich auch nicht genau. Vielleicht hat sie das Geheimnis gelüftet und mußte deshalb sterben.«
    »Sie können nicht mehr darüber sagen?«
    »Ich will nicht.«
    »Hängt es vielleicht mit der Zigeunerin zusammen?« erkundigte sich Shao.
    Der alte Küster schaute die Chinesin schräg an. »Sie haben davongehört?«
    »Nicht nur das, wir haben sie sogar gesehen.«
    Winston verzog die Lippen in die Breite. »Ihren Schatten, nicht?«
    »Nein, nicht ihren Schatten. Das heißt, den auch. Er fällt über das Dorf. Aber zuerst haben wir sie rauchend am Straßenrand gesehen.«
    »Und ihr lebt noch.« Der Küster wurde noch bleicher und trat einen Schritt zurück, wobei er sich hastig bekreuzigte.
    »Weshalb nicht?« Ich lachte leise.
    »Weil die Legende davon berichtet, daß niemand, der sie je sieht, überleben kann.«
    »Wir aber.«
    »Dann… dann seid ihr etwas Besonderes«, erklärte der Küster.
    »Das müßt ihr einfach sein.«
    »Vielleicht.«
    »Wer seid ihr?«
    Ich wollte es ihm nicht zu leicht machen und forderte ihn auf, uns über das Geheimnis der Kirche aufzuklären.
    Der Küster überlegte. »Ich weiß nicht, ob ich euch vertrauen kann…«
    »Doch.« Ich hatte mich entschlossen, die Katze aus dem Sack zu lassen und zeigte ihm meinen Ausweis. Er hielt ihn dicht vor seine Augen, um besser lesen zu können, verglich das Bild im Dämmerlicht der Kirche mit meinem Aussehen und gab mir das Dokument zurück.
    »Ja, ich glaube, daß ihr gut seid.«
    »Dann bitte!«
    Er bewegte seine Hand. »Ich führe euch hin«, flüsterte er. »Wir müssen in die Tiefe gehen, denn es gibt ein Gebiet, das unter der Kirche liegt. Dort ist das Zentrum, und da hat man auch die Nonne begraben.«
    »Liegen da noch mehr Tote?« wollte ich wissen.
    »Nein, nur sie. Für die normalen Toten haben wir ja einen Friedhof. Er befindet sich jenseits der Mauer, aber die Nonne wurde hier erwürgt.«
    »Was ist dort noch?«
    »Alles«, gab er leise zurück. »Da ist der Anfang überhaupt. Etwas Fremdes lauert in der Tiefe. Es muß lange geschlummert haben. Erst jetzt sind seine Kräfte wirksam geworden. Das Auftauchen der rauchenden

Weitere Kostenlose Bücher