0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
ich sorgte dafür, daß es ein Stück von mir wurde und meine Gedankenströme versuchten, das Gehirn zu verlassen und einen anderen Punkt zu finden, das Kreuz.
Leider gehörte ich nicht zu den Menschen, die geistige Gaben beherrschten. Ich war kein Telepath, beherrschte auch nicht die Telekinese. Da waren Kara und Myxin schon besser, aber sie befanden sich ganz woanders, auf ihre Hilfe konnte ich nicht zählen.
Plötzlich durchlief ein Ruck die Gestalt meines Freundes. Für einen Moment sah es so aus, als könnte er es schaffen, sein rechtes Bein vorzusetzen, um die dicke Mauer zu verlassen. Die Spannungverdichtete sich noch mehr. Sie lastete wie ein starker Druck auf meinem Körper. Ich wollte auch nicht dagegen ankämpfen, da ich Angst hatte, sie zu vertreiben.
»Er schafft es nicht!« Schluchzend stieß Shao die Worte aus, schüttelte den Kopf und sah so aus, als würde sie jeden Augenblick in sich zusammensinken.
Ihre Worte bestätigte auch Suko. »Die andere Macht ist einfach zu stark. Uns Menschen gelingt es einfach nicht, Aibon zu überwinden. Die Druiden besitzen das Wissen der Zeit. Wen sie haben, den wollen sie nicht abgeben. Es tut mir leid, John. Ich hatte gedacht, es hier zu schaffen, denn ich sah bei unserer letzten Begegnung den Weg genau vor mir. Und ich hoffte auch, daß du mir helfen könntest. Du hast alles versucht, es war zu wenig, mein Freund…«
War es wirklich zu wenig?
Ich stand da, fühlte die Depression in mir, hatte den Mund geöffnet und die Augen geweitet.
Mich durchfluteten Gedanken. Ich dachte daran, daß ich schon sehr lange den Job als Geisterjäger ausübte, und ich dachte wieder weit, weit zurück. Es hatte Situationen gegeben, die verdammt haarig gewesen waren, aber immer war es mir gelungen, einen Weg aus lebensbedrohenden oder magisch gefährlichen Situationen zu finden.
Hier erlebte ich zum ersten Mal die große Verzweiflung, die mich überkam, obwohl ich mich selbst nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befand. Wenn wir es an diesem Ort nicht schafften, die beiden Freunde zurückzuholen, würde uns dies nie mehr gelingen.
Hier konzentrierte sich eine Magie, auch hervorgerufen durch den nicht sichtbaren Geist der erwürgten Nonne.
Möglicherweise gab es noch weitere Orte auf der Welt, wo Ähnliches geschehen konnte, aber daran wollte ich gar nicht denken. Sie zu finden, hätte einen zu großen Zeitverlust für uns bedeutet. Damit wäre weder Bill noch Suko geholfen.
Gab es wirklich keinen Ausweg?
Das fragte mich auch Shao. Sie hatte sich gedreht und schaute mich dabei an. In ihren großen, dunklen Augen hatte sich das Tränenwasser gesammelt. »John!« flüsterte sie, »jetzt bist du an der Reihe. Wirklich, John. Ich kann es nicht. Ich stamme zwar von der Sonnengöttin ab, aber diese Mythologie ist einfach zu weit entfernt. Dazwischen liegen Zeiten, vielleicht sogar Dimensionen…«
Es lag an mir.
Und an meinem Kreuz!
Mein Gott, es hatte lange Reisen durch die Jahrhunderte hinter sich. Was genau auf dieser Odyssee geschehen war, konnte ich nicht sagen. Zu groß war noch das Geheimnis, das diesen so wertvollen Gegenstand umgab. Ich setzte mein vollstes Vertrauen darin, hatte es schon einmal schmelzen sehen, als ich gegen die Große Mutter antrat, aber es war diesem Kreuz gelungen, sich immer wieder zu erholen und seine eigenen Kräfte auszuspielen, auch wenn es die Hölle geschafft hatte, die Zeichen in der Mitte einfach herauszubrennen.
Hesekiel, der Prophet und Erbauer des Kreuzes, hatte genau gewußt, was er da tat und in seiner weisen Voraussicht es als Zeichen der Hoffnung erkannt.
Sollte das nicht mehr stimmen? Gab es wirklich Kräfte auf dieser Welt oder in einer anderen Dimension, die das Fanal der Hoffnung durch ihre magische Stärke zertrümmern konnten?
Es viel mir schwer nach all den guten Erfahrungen, die ich gemacht hatte, daran zu glauben.
»John, bitte, gibt es denn keinen Weg, den du noch einschlagen kannst. Schau hin. Sieh dir Suko und Bill an. Die beiden quälen sich, die spüren die Magie. Aibon wird sie erdrücken, es wird…«
»Was soll ich noch tun, Shao?«
»Du mußt es wissen!«
Klar, ich mußte es wissen. Dabei traute ich mich nicht einmal, auf Suko und Bill zu schauen. Aus Erfahrung wußte ich, daß es keinen Sinn hatte, das Kreuz gegen die Wand zu drücken. Damit konnte ich die Magie nicht zerstören.
Auch Luzifer war durch das Kreuz nicht vernichtet worden, ebenso die Große Mutter nicht, die es fast zerstört hatte. Es war ihr
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