0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
überhaupt?« fragte der Küster. »Was soll das alles? Ich sehe die Personen nicht, von denen ihr gesprochen habt. Ich…«
»Bitte, seien Sie ruhig!« Shao hatte gesprochen. Sie wollte ebenso keine Störung wie ich.
Beide standen wir vor dem entscheidenden Punkt. Durch die weißmagische Kraft der Formel konnte ich hier einiges radikal verändern. Und höchstwahrscheinlich würde sie mit der des Würfels zusammentreffen, so daß sich die beiden verbünden und noch stärker werden konnten.
Auf mich allein kam es an.
Und ich rief die Formel. Nicht sehr laut, aber Shao und der Küster konnten sie verstehen.
»Terra pestem teneto – Salus hic maneto!«
Bei diesen Worten war ich innerlich bis zum Zerreißen gespannt.
Tat sich etwas? Würde ich Erfolg haben und die andere Magiezurückdrängen können?
Das Kreuz hatte ich nicht weggenommen. Es blieb nach wie vor in Kontakt mit der toten Nonne, deren Körper sich auch nach dem Aufsaugen der Formel nicht veränderte.
Dafür geschah etwas anderes.
Die Umgebung war auf einmal nicht mehr dieselbe. Hatten wir vorhin noch auf dunkle Wände geschaut, auf mit Spinnweben bedeckte, unheimlich wirkende Gruftmauern, so erlebten wir nach dem Sprechender Formel eine radikale Änderung.
Aibons Erbe erwachte. Die Folgen eines Landes, das ich kaum kannte, über das ich aber immer wieder stolperte, und dieses Erbe drang aus den Wänden hervor.
Seine Magie fand ihren Weg in dieser Gruft.
Wir sahen den grünen Schein, der nicht allein in den Mauern konzentriert blieb, sondern sich so ausbreitete, daß er lautlos wie normales Licht in die Gruft hineindrang und alles überdeckte. Auch uns. Wir bekamen eine grüne Gesichtsfarbe, ich merkte, wie das Kreuz in meiner Hand zu vibrieren anfing und vernahm den erschreckten Ruf des alten Küsters, der zurücktaumelte, als hätte er Angst, in der Nähe des Sargs stehenzubleiben.
Aibon schickte seine Boten.
Und noch zwei andere erschienen.
Ich selbst sah sie nicht, weil ich nach unten auf das Skelett der Nonne schaute.
Dafür hatte Shao sie entdeckt. Ich hörte ihren Schrei. Sie rief den Namen ihres Freundes.
»Suko!«
Jetzt hielt mich nichts mehr in meiner Lage. Ich hob das Kreuz an, achtete dabei nicht auf sein grünes Funkeln und starrte, wie auch Shao, auf die Wand direkt gegenüber.
Sie standen innerhalb des Gesteins wie zwei Figuren. Und es war keine Täuschung.
Vor uns hielten sich Bill Conolly und Suko auf!
Und sie hatten den Würfel!
Wie schon in der Höhle in Maastricht hielt Suko den Quader zwischen seinen Handflächen, als wollte er ihn nie mehr in seinem Leben loslassen. Im Moment erinnerte nichts bei ihnen an lebende Menschen.
Das grüne Licht umflutete sie wie ein gefärbtes Schattenmeer, und auch ihre Haut hatte diesen leichengrünen Schein angenommen, der sie so aussehen ließ, als wären sie tot.
Aber sie lebten.
Suko zumindest hatte mit Shao auf telepathischem Weg gesprochen. Ich hielt mich zurück, denn ich sah, daß etwas in Shao vorging. Auch der Küster wußte nicht, woran er war.
Nur seine Schritte vernahm ich. Sie wurden leiser, ein Zeichen, daß er sich zurückzog.
Shao ging auf die Wand zu. Im Profil sah ich sie und erkannte das Zucken ihres Mundwinkels.
Vor der Wand blieb sie stehen.
Ich warf einen schnellen Blick auf mein Kreuz. Es hatte die grüne Farbe übernommen, und nichts deutete darauf hin, daß es sich so schnell wieder normalisieren würde.
Die beiden Freunde hatten mich nach Pluckley gerufen. Es mußte einen Grund geben. Vielleicht gelang es ihnen in diesem Gespensterdorf endlich, das Gefängnis zu verlassen.
Ich wartete.
Was jetzt zu tun war, mußte Shao einfach übernehmen, denn sie und Suko verband mehr als Freundschaft.
Liebe kann Berge versetzen – aber auch Mauern?
Mit mir hatte Suko in der Grotte gesprochen. Seine Stimme war deutlich zu vernehmen gewesen, und es mußte wirklich mit mehr als mit dem Teufel zugehen, wenn sie es nicht schaffte, auch mit ihrem Freund und Partner Suko zu sprechen.
Noch waren die beiden Gefangene der Druidenmagie, von der ich so stark hoffte, daß sie nicht unbedingt zu meinen Gegnern zählte und sich auch nicht gegen den Würfel stellte.
Aber was wußte ich schon von Aibon, diesem geheimnisvollen Land? Viel zu wenig…
Es sollte für einen nicht Geweihten keine Rückkehr geben, hieß es.
Zudem waren in diesem Land die Dolche des Mandra Korab verschollen. Seine letzten beiden Waffen, die er ebenfalls unbedingt zurückhaben wollte. So viel
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