0367 - Der Boß läßt seine Meute los
nach. Also er kam die Houston Street herauf. Eilig hatte er es bestimmt nicht. Wie alt er war? Na, so vierundzwanzig. Er sah nicht auffällig aus. Eine Levis-Hose trug er, ja, eine blaue Levis-Hose.«
»Wann sahen Sie ihn zuletzt? Und wo war das?«
»Als Craigh mit dem Cadillac in die Straße eingebogen war und anhielt, damit ich einsteigen konnte, sah ich den Kerl das letzte Mal. Ganz flüchtig nur, wie man eben jemand so nebenbei sieht, wenn man in ein Auto steigt und die Tür hinter sich zuzieht. Der Junge drehte sich gerade und stiefelte in die Einfahrt hinein.«
***
Wir überließen Leasy unserem Zeichner, der anhand seiner Beschreibung das Gesicht des Verdächtigen zeichnen sollte. So etwas klappt nicht immer, aber wir haben mit solchen Zeichnungen schon die besten Erfahrungen gemacht, und mittlerweile hat es sich bei unseren Zeichnern eingebürgert, eine Unzahl von Schablonen für jedes einzelne Gesichtsteil vorrätig zu haben, mit deren Hilfe sie nach und nach das erstrebte Gesicht zusammensetzen.
Während Leasy und der Zeichnel sich an ihre langwierige Arbeit machten, suchten wir zusammen mit Lieutenant Kendly unseren Distriktchef auf, nachdem wir erfahren hatten, dass sich Mr. High trotz der späten Abendstunde noch im Gebäude befand.
Wir stellten ihm Kendly vor, setzten uns und berichteten.
Mr. High hörte aufmerksam zu und dachte eine Weile nach.
»Sie haben recht«, gab der Chef dann zu. »Diese beiden Morde reimen sich nicht zusammen. Wie ist es Ihnen eigentlich gelungen, Leasy so schnell zum Sprechen zu bringen?«
Ich grinste.
»Das Verdienst gebührt unseren Vernehmungsexperten. Während die Formalitäten mit Leasys Einlieferung in den Zellentrakt erledigt wurden, unterhielten wir uns mit den Vernehmungspsychologen und fragten sie, wie wir Leasy angehen sollten. Die Jungs ließen sich alles von Leasy erzählen, was wir von ihm wussten, und dann behaupteten sie, Leasy besäße höchstwahrscheinlich eine krankhafte, ausgeprägte Eitelkeit. Wir probierten es damit und stichelten ein bisschen. Er reagierte prompt so, wie wir es erhofft hatten. Vor acht Monaten wurde doch in der Downtown ein gewisser Wellis umgebracht, der ein paar geheime Spielhöllen kontrollieren sollte. Und danach hieß es, dass Bob Craigh seine Nachfolge angetreten hätte. Wir ließen uns von der Stadtpolizei per Kurier die Waffe schicken, mit der Wellis damals umgebracht wurde. Es war ein Dolch mit einem Griff aus Elfenbein. Mit einer ähnlichen Waffe wurde auch der Mordanschlag auf Peabodys Frau verübt. Nun lag für uns die Sache auf der Hand. Leasy arbeitete für Craigh, er hatte damals Wellis umgebracht und heute versucht, Peabodys Frau umzubringen. Als wir den Dolch sahen, mit dem Wellis umgebracht wurde, beschlossen wir, Leasy eine kleine Falle zu stellen. Wir holten uns aus seiner Wohnung ein paar bedeutungslose Gegenstände und legten den Dolch dazu. In seiner Wut verplapperte er sich.«
»Es ist doch merkwürdig, auf welch einfache Weise manche Gangster zu übertölpeln sind«, meinte der Chef. »Haben Sie ihm schon vorgehalten, dass der Dolch nicht die Mordwaffe im Fall Peabody, sondern im Fall Wellis war?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, Chef. Wir wollten die Dinge nicht durcheinanderbringen. Sobald diese ganze mysteriöse Peabody-Sache geklärt ist, können wir immer noch darauf zu sprechen kommen.«
»Ja, das hat vorläufig Zeit. Aber wie soll es nun überhaupt weitergehen?«
»Wir wollen uns um 23 Uhr Bob Craigh holen. Aus der Spielhölle in der Canal Street, in der er sich nach Leasys Aussage heute Abend aufhalten wird.«
»Gut.«
Das Telefon auf dem Schreibtisch des Chefs klingelte. Mr. High nahm den Hörer. Als er ihn wieder auflegte, sagte er: »Sie haben Besuch, meine Herren. Er wartet in Ihrem Office.«
***
Wir verabschiedeten uns von Mr. High. Unser Besuch stand schon im Flur: Der Schuhputzer, der kleine Junge mit den fünfhundert Sommersprossen und der hechelnde Hund von der Houston Street. Nach der allgemeinen Begrüßung führten wir unsere außergewöhnlichen Gäste ins Büro und boten ihnen Stühle an. Der Hund hockte sich auf ein Zeichen neben dem Jungen nieder und betrachtete uns aufmerksam.
»Am besten ist es, wenn Jimmy selbst erzählt«, meinte der große Joe.
»Also, Jimmy«; forderte ich den Kleinen auf, »dann schieß los!«
Der Junge rutschte aufgeregt auf dem Stuhl hin und her.
»Wenn ich vorhin nicht noch den Film im Fernsehen angesehen hätte, wüsste ich es überhaupt
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