037 - Das Geheimnis der Knochengruft
ihre Augen wurden schmal. Unwillkürlich
schob sie die Wohnungstür ein paar Zentimeter weiter nach vorn, um sie sofort
ins Schloss zu drücken, wenn die Situation es erfordern sollte.
Larry registrierte das mit Unbehagen.
»Sind Sie von der Polizei?«, fragte sie.
Er erklärte ihr, dass er von einer Sonderabteilung käme und zeigte einen
Ausweis der französischen Spionageabwehr. Er wusste, womit sich der Vicomte
beschäftigte. Während seines Fluges von New York nach Paris hatte er einige der
Informationen in Kurzfassung studiert. Es gab in den Publikationen einige
hochinteressante Details, die darauf hinwiesen, dass sich de Moulliere mit
Forschungen beschäftigte.
Claudia Pascal studierte den Ausweis aufmerksam. »Ich muss Sie sprechen«,
drängte Larry. »Es geht um das Leben des Vicomte. Ich bin sicher, dass Sie mich
nicht abweisen werden.«
Dessen war er sich jedoch keineswegs sicher.
Sie nickte. »Bitte, kommen Sie herein!« Sie sprach sehr leise und machte
mit einem Mal einen matten erschöpften Eindruck, obwohl sie sich bemühte, nicht
so zu erscheinen.
Larry Brent betrat die Wohnung, trat zuerst in eine große, düstere Diele.
Ein großes Ölgemälde hing über einer dunkelbraunen Vitrine. Die Wände waren mit
Eichenholz getäfelt – ebenso die Decke.
Die Wohnung war für eine Person sehr groß. Larry schätzte, dass der
ehemaligen Hausangestellten mindestens 180 bis 200 Quadratmeter Wohnfläche zur
Verfügung standen. Der Amerikaner entdeckte Bilder und kleine Kunstgegenstände,
die sich ein Mädchen in dieser Stellung normalerweise nicht hätte leisten
können.
Claudia Pascals Leben interessierte ihn vom ersten Moment an. Er spürte
förmlich das Geheimnis, das sie wie ein unsichtbares Tuch umwob. Seine Gefühle
hatten ihn selten getäuscht.
Er fragte sich, was einen jungen Menschen dazu bewegen konnte, in einer so
alten Wohnung zu leben. Diese Düsternis hätte ihn bedrückt, die alten Möbel, die
Requisiten einer fernen Zeit, die monoton tickende Wanduhr – das alles waren
Dinge, die in einem eigenartigen Kontrast zu dem Mädchen standen, das er vor
wenigen Minuten kennengelernt hatte. Eines, das die Farbe eines Stubenhockers
hatte, das die Sonne und die frische Luft mied?
X-RAY-3 glaubte nicht, dass sie schon immer so gelebt hatte. Irgendein
Ereignis in ihrem Leben hatte sie aus der Bahn geworfen. Er überlegte, was er
fragen und sagen wollte.
»Warten Sie bitte hier auf mich«, sagte Claudia Pascal, während sie Larry
in ein kleineres Herrenzimmer bat, in dem ein altmodischer Rauchtisch stand,
eine Vitrine und eine mit Blumenmuster bezogene Couchgarnitur. »Ich bin sofort
wieder zurück, möchte mich nur rasch umziehen. Sie haben mich bei der
Hausarbeit überrascht.« Ein kaum merklicher Anflug eines dünnen Lächelns
verschönte ihr Gesicht, dann verschwand sie und ließ Larry allein. Er sah sich
in dem düsteren Raum um, in dem die Vorhänge vorgezogen waren. Es roch leicht
nach Zigarettenrauch und Alkohol.
Neben einem alten Eisenofen war eine Ablage aus Marmor befestigt. Darauf
standen kleine Utensilien und Ziergegenstände. Larry Brent ging tiefer in das
dämmrige Zimmer hinein, hörte von nebenan ein Geräusch, und einmal war es ihm
auch, als würde jemand flüstern. Er hielt den Atem an, glaubte aber dann, sich
doch verhört zu haben.
Auf der Ablage neben dem Eisenofen entdeckte Larry das in einem
abgegriffenen Silberrahmen steckende Bild eines jungen Mannes, der etwa in
seinem Alter sein mochte.
Sportlich gekleidet lehnte er an einem flachen Zaun. Zu seinen Füßen zwei
englische Jagdhunde. Der Mann hatte ein bleiches, schmales Gesicht. Seine Augen
lagen tief in den Höhlen. Dichte schwarze Haare, umrahmten das ernste,
ausdrucksstarke Antlitz.
Am unteren Rand der Fotografie stand mit gestochen scharfer Schrift eine
Widmung:
»In Liebe – Armande.«
Claudia Pascal tauchte an der Türschwelle auf, als Larry Brent gerade neben
dem Fenster stand, den Vorhang lüftete und einen Blick auf die Straße warf.
Es war ein trüber, regnerischer Tag, der Asphalt glänzte feucht, und die
Bäume und abgestellten Wagen am Rand des Bürgersteigs spiegelten sich.
Larry Brent wandte sich um, als er das Geräusch hörte.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz, Monsieur Brent.« Claudia Pascals Stimme
klang ruhiger, besonnener und – wie es Larry schien – etwas frischer.
Sie bot ihm etwas zu trinken an. Dann setzten sie sich an den flachen
runden Tisch, und der PSA-Agent leitete das Gespräch
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