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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
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diesen Zustand verantwortlich?
    Mir fiel ein, daß ich vergessen hatte, sie zu fragen, ob auch sie das Kribbeln und Stechen verspürt hatte. Aber nun war es zu spät, sie schlief bereits wieder. Außerdem war Rosy andauernd unter einer Überdosis von Schlafmitteln gestanden und hatte vermutlich schon aus diesem Grund nichts gespürt.
    Die Reinemachefrau kam herein, blickte scheu um sich, als ob sie erwartete, daß eine von uns sie attackierte. Sie sprach niemals mit uns, beeilte sich mit der Arbeit und ging schnell wieder hinaus.
    Die Sonne schien durch die offenen Fenster. Wir genossen den Ausblick auf die Klinik und den Garten, denn die Fenster wurden sofort wieder geschlossen, wenn die Reinemachefrau gegangen war.
    Als wir wieder allein waren, erhob ich mich und ging wieder zu Rosy. Ich beugte mich über sie und schüttelte sie am Arm.
    »Rosy! Rosy, wachen Sie auf! Nur noch eine Frage …«
    Sie murmelte etwas Unverständliches.
    »Rosy«, flüsterte ich eindringlich. »Rosy, hören Sie mich?«
    Sie öffnete die Augen weit und sagte: »Ja.«
    »Sagen Sie mir, hatten Sie auch dieses seltsame Kribbeln und Stechen am ganzen Körper?«
    Sie riß die Augen noch weiter auf und sagte mit einem unschuldigen Kinderblick: »Oh, kann schon sein … Ja, jetzt erinnere ich mich. So, als ob man in Brennesseln liegt.«
    »Ist das jetzt vorbei?«
    Sie nickte, fügte aber ernsthaft hinzu: »Das hat aber weh getan, Lise. Sehr weh …«
    »Na, dann ist es ja gut, wenn es jetzt vorbei ist«, sagte ich beruhigend. »Schlafen Sie gut.«
    Gedankenversunken kletterte ich wieder in mein Bett. Ich hatte Angst. Rosy wirkte irgendwie verjüngt, ja, sogar kleiner! Ihr Körper war geschrumpft.
    Und meiner würde genauso schrumpfen. Mit jeder Ampulle dieses verteufelten Medikaments, die man in meine Vene spritzte, würde sich der Effekt verstärken …
    Ich glaubte, verrückt zu werden.
    Um halb zehn Uhr trat Ariane mit den Utensilien für unsere Spritzen ein. Sie lächelte in die Runde.
    »Guten Morgen, meine Damen.«
    Dann begann sie bei der Nummer eins, Jeanne Voisin, dann kam Elisabeth, dann Rosy, die ihren Arm ausstreckte, ohne die Augen zu öffnen.
    Henriette Astier beugte sich zu mir.
    »Wir bekommen alle das gleiche Zeug?«
    Ich nickte.
    »Ich denke schon.«
    »Lise, haben Sie eine Besserung bemerkt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Ariane trat zu Henriette, und sie bekam ihre Spritze.
    Zum ersten Mal bemerkte ich die ungewöhnliche Länge der Injektionsspritze und die hellrosa Flüssigkeit, die sie zur Gänze füllte. Eine beachtliche Dosis … Da war es nicht verwunderlich, daß Rosy sich so schnell geändert hatte.
    Nun war ich an der Reihe. Ariane legte ihre Hand beunruhigt auf meine Stirn und fragte mich, ob ich mich nicht wohl fühlte. Meine Blässe erschreckte sie. Ich konnte ihr nicht sagen, daß ich die ganze Nacht wach gewesen war.
    Sie beugte sich zu mir herab und flüsterte: »Ich habe keine Ampulle mehr für Sie. Ich werde so tun, als ob ich Ihnen eine Spritze gäbe. Sagen Sie aber niemandem etwas davon.«
    »Ich habe es heute früh bemerkt«, sagte ich leise. »Als ich Rosy ansah … Danke, Ariane. Jedenfalls habe ich vor, so schnell wie möglich nach Hause zu gehen. Ich werde gleich mit dem Herrn Doktor sprechen.«
    »Tun Sie das nicht!« bat sie. »Helfen Sie mir, die Wahrheit herauszufinden. Das Serum wirkt nicht bei allen Patienten. Sie werden einer dieser seltenen Fälle sein. Ich werde Ihre Ration wegschütten, denn er kontrolliert alles. Er wird die leere Ampulle sehen, und ich glaube, das wird genügen.«
    Sie täuschte eine Injektion vor, während ich den Arm ausstreckte.
    Die anderen konnten nichts erkennen. Empört dachte ich daran, daß sie die Behandlung eines Arztes ertragen mußten, der vermutlich ein Wahnsinniger war.
    »Ariane, was vermuten Sie?«
    Sie verstaute die Spritze und die Ampullen in der Schachtel und sagte: »Ich weiß es ehrlich nicht, Lise. Der Herr Doktor ist ein so intelligenter, anständiger Mensch, und ich weiß, daß er seinen Beruf liebt. Aber ich stehe vor einem Rätsel: Manchmal scheint er mir unglücklich zu sein, dann wird er wieder so bösartig …«
    Der Mann, den ich liebte, den ich so bewunderte – konnte er grausam sein? Konnte es möglich sein, daß er mit jungen Frauen experimentierte wie andere Forscher mit Meerschweinchen?
    Ariane trat von meinem Bett weg, lächelte traurig und sagte: »Auf  bald …« Sie ging hinaus.
    In dieser Klinik, die so schnell erbaut und nur zum

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