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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
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auch sie sich verändert hatten.
    Erstaunt fragte Henriette: »Was gibt’s, Lise?«
    Ich war beinahe zu schwach, mich auf den Füßen zu halten. Ich mußte mich am Fußende des Stahlrohrbettes festhalten. Angestrengt versuchte ich, in Henriettes Gesicht eine Verwandlung festzustellen, aber dazu hatte ich sie bei ihrer Ankunft am Vortag zu wenig genau betrachtet.
    Meine Kräfte ließen nach. Ich war verzweifelt, und als Ariane nach dem Abendessen kam, um uns die Schlafmittel zu geben, fragte ich sie: »Ariane, sagen Sie mir die Wahrheit: Ist es soweit?«
    Sie senkte die Augen.
    »Möglicherweise geht Ihre Veränderung auf das Konto des Serums des Professors. Aber ich kann nicht sagen, inwieweit. Elisabeth und Jeanne sind im gleichen Stadium wie Sie. Da wir aber mit den Injektionen aufgehört haben, hoffe ich, daß sich bei Ihnen keine weitere Veränderung mehr zeigt, daß Sie so bleiben, wie Sie jetzt sind.«
    »Aber dieser Mann muß doch daran gehindert werden, diese Experimente fortzuführen«, sagte ich lauter, als ich wollte. »Sie haben doch gesehen, daß sie zum Wahnsinn führen. Erinnern Sie sich nur an Rosy und Olga!«
    »Schsch!« machte Ariane. »Die anderen können uns hören, Lise.«
    Ich hatte das unwiderstehliche Verlangen, meine Wut und Verzweiflung hinauszuschreien, und beherrschte mich nur mühsam. Der Zorn trieb mir Tränen in die Augen, und Arianes Gestalt verschwamm vor meinem Blick. Mein Brustkorb schmerzte, und ich hatte das Gefühl, eine starke Hand verschloß mir den Mund.
    Ein schriller Schrei drang an meine Ohren, und ich stellte verwundert fest, daß ich es gewesen war, die ihn ausgestoßen hatte. Eiserne Hände hielten mich im Bett fest.
    »Ruhig, Lise – ruhig … Es ist schon vorbei …«
    Mühsam bahnten sich die Worte einen Weg zu meinem Gehirn, dann folgte eine große Stille.
    »Lise, hören Sie mich?«
    Eric! Das war Eric!
    Ich brachte kein Wort hervor. Meine Kiefer waren verkrampft.
    »Lise, Kleines – antworten Sie …« Dann hörte ich Elianes Stentorstimme. Wo wollte man mich hinbringen? Dann Eric, dann wieder Eliane.
    »… sich darauf beschränken, die Aufträge auszuführen, die ich Ihnen gebe!« brüllte Eric.
    Dann spürte ich, daß man mich zwang, eine bittere, scheußliche Flüssigkeit zu schlucken, die ich auszuspucken versuchte.
    Aber dann hörte ich seltsame Melodien von irgendwoher kommen …
     

     

Als ich die Augen öffnete, fiel mein Blick auf einen Paravent, den man um mein Bett gestellt hatte. Neben mir saß eine Gestalt in einem tiefen Lehnstuhl.
    Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Nun wußte ich, was Rosy und Olga gefühlt hatten, bevor man sie wegbrachte. Und ich? Wieso war ich noch hier? Nur durch einen Paravent von den anderen getrennt?
    Mein Blick fiel auf die Gestalt in dem. Lehnstuhl. Ach ja, dachte ich. Ich habe das große Glück, daß der Chef mich verehrt …
    Eric erhob sich, trat zu mir und legte seine warme Hand auf meine Stirn. Er beugte sich nieder und küßte mich leicht auf den Mund. Meine Ironie verschwand, als ich seine übermüdeten Gesichtszüge sah.
    »Lise, geht es Ihnen besser?« fragte er besorgt.
    Ich nickte.
    »Sie müssen hier hinaus«, sagte er, während sein Arm hinter meine Schultern glitt und mich aufrichtete. »Sie müssen sich irgendwo erholen. Nicht allzu weit von hier, denn ich möchte Sie jeden Tag sehen … Eine solche Krise darf sich nicht wiederholen, das geht über meine Kräfte.« Seinem Blick sah ich an, daß ich mich weiter gewandelt hatte.
    »Eric, lassen Sie bitte den Pravent entfernen«, sagte ich.
    Er nickte und ging weg.
    Ich bekam eine Mahlzeit serviert, und der Paravent wurde entfernt. Mit einem Blick sah ich, daß die Betten von Jeanne und Elisabeth leer waren.
    »Wie spät ist es?« fragte ich.
    Schnell kam Eliane, die mich von weitem beobachtet hatte, zu mir und sagte: »Es ist elf Uhr, Mademoiselle. Der Herr Doktor und Mademoiselle Ariane haben einander abgewechselt und bei Ihnen Wache gehalten. Wie geht es Ihnen jetzt?«
    »Sehr gut, danke.«
    »Jeanne und Elisabeth hatten eine stärkere Krise als Sie«, bemerkte sie spitz. »Bei ihnen hat niemand Nachtwache gehalten … Schätzen Sie sich glücklich, daß Sie noch bei uns sind.«
    »Ich bin es«, sagte ich sanft. »Sie hätten mir zu sehr gefehlt, Schwester. Der Herr Doktor weiß das genau.«
    Ohne Antwort drehte sie sich um und ging in ihr Zimmer.
     

     
    Mein erster Gedanke galt meinem Spiegel. Ich war unverändert, nur meine Lippen schienen

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