037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
Landhaus, das auf einem kleinen baumlosen Hügel lag. Die Überreste des wohl einstmals gut gepflegten Rasens ragten nur noch als vereinzelte Halme aus dem Boden, und hie und da wuchsen wilde Büsche und hohes Unkraut. Das herausstechendste Merkmal der Zufahrt zum Haus war ein großer Teich mit einem von Ranken bewachsenen Brunnen in der Mitte. Knietief im Teich standen ein Mann in hohen Stiefeln und drei barfüßige Jungen mit Händen voller Unkraut und Schlamm.
Als die Kutsche näher kam, öffnete Jack das Fenster. Sie hörten den Mann Anweisungen bellen und dabei auf einzelne Stellen im Teich deuten.
„Es ist Oktober“, sagte Mariah und zitterte unter der kalten Brise, die durch das Fenster hereinwehte. „Was um alles in der Welt machen diese Leute um diese Jahreszeit im Teich?“
„Frieren sich den Hintern ab“, brummte Mercy.
Sobald die Kutsche vor dem schmucklosen Hauseingang hielt, sprang Jack heraus.
Erst nach langem und lautem Klopfen an der Tür wurde ihm von einem alten Diener geöffnet, der gegen das schwache Licht anblinzelte.
„John St. Lawrence. Ich bin hier, um Mr. Clapford einen Besuch abzustatten. Sagen Sie ihm bitte, dass ich im Auftrag des Prinzen hier bin.“
Der alte Mann seufzte schwer und trat dann aus dem Haus. Er ließ Jack vor der Tür stehen, überquerte die mit Kieselsteinen bedeckte Einfahrt und ging weiter in Richtung des Teichs. Jack verzog verständnislos das Gesicht und sah hinüber zu Mariah und Mercy, die gerade mit Hilfe des Kutschers ausgestiegen waren. Beide bemerkten seinen verwirrten Ausdruck und gingen zu ihm hinüber.
„Sir, Sie haben Besuch“, rief der alte Diener mit heiserer Stimme. Er versuchte, die Aufmerksamkeit seines Herrn mit einem Winken zu erregen, und rief dann noch einmal zu ihm hinüber. „Im Auftrag des Prinzen!“
Der Mann im Teich hörte auf, Befehle zu brüllen, und hielt seine Hand ans Ohr, um den alten Butler verstehen zu können. „ Was ist mit dem Prinzen ?“
Der Mann im Teich war also Clapford, dachte Mariah mit Schrecken.
„ Auftrag des Prinzen! “
„Hoppla, ich hab einen!“ Einer der Jungen hielt einen großen Fisch mit orangefarbenen und schwarzen Punkten hoch, der in der kalten Luft verzweifelt hin- und herzappelte. „Das gibt ein feines Abendessen!“
Clapford schlug ihm hart auf den Kopf.
„Das ist mein Fisch, du kleine Ratte!“ Er zeigte auf ein Holzfass am Ufer. „Los, wirf ihn in die Tonne!“ Als Clapford sich in Richtung Ufer bewegte, knurrte er: „Ich hoffe, es handelt sich um etwas Wichtiges. He da, ihr Nichtsnutze, ich habe nicht gesagt, dass ihr aufhören könnt.“ Er scheute die Jungen mit einer wütenden Geste zurück in den Teich. „Wenn ich zurückkomme, will ich, dass ihr jeden einzelnen Fisch in diesem Teich gefangen habt. Ich weiß ganz genau, wie viele es sind, und glaubt mir – ich werde sie sorgfältig zählen.“
„Aber es ist eiskalt ...“ Der schüchterne Protest des kleinsten Jungen wurde von Clapfords wütendem Blick unterbunden.
Der zukünftige Lord hatte nun den Weg erreicht und kam in einem alten wollenen Gehrock und ramponierten Stiefeln auf sie zu. Er war groß, schlank, hatte ergrauendes Haar und feingeschnittene Gesichtszüge, die jedoch in einem ewig mürrischen Ausdruck erstarrt zu sein schienen.
„Ja?“ Er blieb vor Jack stehen, stützte sich die Fäuste in die Seiten und sah voller Misstrauen auf Jacks elegante Erscheinung. „Sie wollen also im Auftrag des Prinzen hier sein?“ Bevor Jack antworten konnte, fuhr er fort: „Wer sind Sie? Kenne ich Sie?“
„Ich glaube, wir hatten noch nie das Vergnügen. John St. Lawrence, Sir. Es ist mir eine Ehre.“ Jack tippte sich an seine Hutkrempe. „Ich bin ein Freund des Prinzen von Wales. Und von Lord Marchant.“
„Marchant? Dieser Nervensäge?“, schnaubte Clapford. „Und des Prinzen?“ Doch er besann sich und nickte ihnen als Wiedergutmachung für seine Unhöflichkeit kurz zu.
„Und welches Anliegen hat unser junger Lotterprinz?“
„Darf ich Ihnen Mrs. Mariah Eller vorstellen?“, sagte Jack mit gezwungenem Lächeln.
Clapford nickte knapp in ihre Richtung, ohne sie jedoch eines Blickes zu würdigen.
„Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass Bertie sich sehr für Gärten und Parks interessiert“, warf sie in bemüht freundlichem Ton ein, während sie den kaltschnäuzigen und strengen Mann musterte, der ihr als Herr und Meister angedient werden sollte.
Nicht unbedingt ein verheißungsvoller Anfang, dachte sie
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