0371 - Der Satan füttert sie mit Gift
immer richtig zu wissen, was ein Patient schon gehabt hat, welche Medikamente er bereits bekam und so weiter.«
»Natürlich«, nickte O’Neil geduldig. »Und wie hieß er?«
»Warten Sie, ich suche die Karte.« Der Arzt zog eine Schublade aus dem kleinen Schreibtisch und kramte in einem Karteikasten. »Hipley«, sagte er, als er die Karte gefunden hatte. »Mr. B. S. Hipley, wohnhaft 904, West 115. Straße«
»Puh«, stöhnte O’Neil, »schon wieder.«
»Ich verstehe nicht ganz, Officer«, murmelte der Arzt mit gerunzelter Stirn.
»Außer den Eintragungen, die sich auf seine Beule und Ihre Behandlung beziehen, Doc«, erwiderte O’Neil, »dürften nur noch Lügen auf der Karte stehen. In der 115. Straße gibt es keine Nummer 904.«
»Was?«
»Ja! Wir kommen gerade von dort. Die Adresse gibt es nicht. Und deshalb glaube ich, daß auch der Name nicht stimmt. Wer falsche Adressen angibt, will nicht gefunden werden. Wer das nicht will, wäre schön dumm, wenn er trotzdem seinen richtigen Namen sagte.«
»Dann ist sein Scheck womöglich nicht gedeckt!« rief der Doc erschrocken aus. »Was für ein Ding?« rief O’Neil.
»Sein Scheck!« wiederholte Dr. Callham. »Er hatte nicht genügend Bargeld bei sich und gab mir einen Scheck.«
»Doc, zeigen Sie mir den Scheck. Halten Sie die Summe zu, wenn Sie nicht wollen, daß ich den Betrag sehe, der interessiert mich für keine zwei Cent. Ich will nur sehen, auf welche Bank er ausgestellt ist, wie die Unterschrift heißt und so weiter.«
»Sofort, Sir«, rief der Arzt bereitwillig. »Wenn das ein Betrüger war, dann soll er mir dafür büßen! Und ich habe die teuersten Medikamente genommen! Er sagte noch, daß es auf die Höhe der Rechnung nicht ankomme!«
Der Arzt schloß eine kleine Kassette auf und suchte in einem Stapel von Schecks.
»Hier«, rief er, »das ist er!«
O’Neil interessierte sich wirklich nicht für den Betrag. Er sah auf den ersten Blick, daß mit der Unterschrift nichts anzufangen war, weil höchstens ein Spezialist für die Entzifferung von Hieroglyphen einzelne Buchstaben hätte identifizieren können. Aber es ließ sich natürlich ablesen, welches Institut das Scheckheft herausgegeben und welche Kontonummer der Inhaber hatte.
»Sie haben uns sehr geholfen, Doc«, sagte der Sergeant feierlich.
Zuständig für den Mord an Professor Clinton war die Mordabteilung der Stadtpolizei, und die gibt es in Manhattan gleich in doppelter Ausfertigung: eine für die östliche, und eine für die westliche Hälfte. Der Leiter der Mordkommission, die am Tatort erschien, nachdem wir angerufen hatten, war ein gewisser Lieutenant Hicks. Er war neunundfünfzig Jahre alt und stand also ein Jahr vor der Pensionierung. Aber wer sich von seinem dicken Bauch und dem roten, ein wenig dumm dreinschauenden Gesicht täuschen ließ, war selber schuld.
Hicks war bekannt als der Mann mit den viertausend gelösten Fällen. Er war in New York geboren, aufgewachsen und hatte die Stadt vielleicht nie verlassen. Vierzig Jahre lang hatte er in der Mordabteilung gearbeitet, und es gab nichts mehr, was ihm bei einer solchen Erfahrung hätte neu sein können.
»Gibt’s hier in der Nähe eine Kneipe?« lispelte er mit seiner dünnen Stimme, als die Uhr auf halb drei zeigte.
»Zwei Blocks weiter«, erwiderte Phil.
»Schön. Kommt ihr mit?«
Wir lehnten nicht ab. Also stampften wir ohne Mäntel tapfer neben dem Lieutenant durch den Regen, weil es sich nicht lohnte, für die kurze Entfernung erst in den Jaguar zu steigen. Hicks watschelte mit unbewegter Miene zwischen uns. Er hatte einen altmodischen schwarzen Regenschirm aufgespannt und trug ihn mit dem Stolz eines mittelalterlichen Herrschers, der sein Zepter durchs Volk spazierenführt.
Das kleine gutbürgerliche Lokal war nur wenig besucht, weil diese Stunde nun einmal keine Zeit für Kneipen ist. Wir folgten Hicks zu einem Ecktisch in der Nähe eines Kamins, in dem ein Feuer brannte.
»Sehr gemütlich«, stellte der dicke Detektiv fest und nickte beifällig. Phil half ihm aus dem Mantel.
»Einen doppelten Whisky gegen das Wetter, einen Mokka gegen den Whisky«, bestellte Hicks. Wir schlossen uns an. Er wartete bis serviert war, nickte uns flüchtig zu und kippte den Whisky in einem Zug hinunter. »Das tut gut«, behauptete er. Wir widersprachen nicht. Hicks war ein weiser Mann.
»Jetzt lassen Sie uns nicht länger zappeln, Hicks«, bat ich »Rücken Sie mit Ihrer Meinung ’raus.«
»Da gibt es nicht viel zu sagen«,
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