0372 - Werwolf-Omen
stieß mich vom Boden ab, bog den Oberkörper durch und rammte die Schuhe in das dichte Fell der Körpermitte.
Dieser wuchtige Stoß, der sogar einen Menschen zurückgeschleudert hätte, ging auch an dem Werwolf nicht so ohne weiteres vorbei.
Er geriet aus dem Angriffsschwung, riß ebenfalls die Arme in die Höhe und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
Die Bestie taumelte zurück. Sie krachte gegen das Gitter der Zelle.
Ich hörte es knirschen, metallen klappern und auch dumpf scheppern. Es war ein Zufall gewesen, daß ich die Bestie gewissermaßen auf dem falschen Fuß erwischt hatte. So bekam ich die Chance, mich hineinzustellen. Wegen meiner Schwäche mußte ich mich an den Stäben festhalten. Zum Glück schaffte ich es beim ersten Versuch, stand auch auf beiden Beinen und sah, daß der Boden unter mir ein Wellenmeer gebildet hatte, so daß er von einer Seite zur anderen kippte.
Auch meine Gegnerin schwankte.
Ich wollte an mein Kreuz heran. Das gelang mir nicht mehr, denn die Werwölfin wuchtete auf mich zu. Die Zelle war nicht sehr groß.
Mit einem Sprung konnte sie die Distanz überwinden. Wie ein Berg tauchte sie vor mir auf.
Meine Reaktion war nicht die beste.
Gerade noch rechtzeitig ging ich in die Knie und wurde deshalb nicht getroffen. Die gefährlichen Pranken wischten über meinen Rücken hinweg.
Das Gitter vibrierte unter den Treffern. Dann hatte ich Pech, die Beine der Bestie erwischten mich. Ich wurde zu Boden gedrückt.
Bevor mich die Wölfin mit ihrem Fuß oder ihrer Tatze buchstäblich festnageln konnte, kroch ich auf allen vieren unter ihr weg, um die andere Ecke zu erreichen. Mir ging es sauschlecht. Ich wunderte mich, daß es mir überhaupt gelang, noch Kraftreserven zu mobilisieren, aber wenn es um das nackte Leben geht, wächst der Mensch über sich hinaus.
»Los, stürz dich auf ihn!« Es war Alexis, die ihre Tochter anfeuerte.
Die hörte auf die Stimme. Auf der Stelle kreiselte sie schnell herum. Sie hielt dabei die Schnauze offen. Der zwischen den Kieferhälften wallende Geifer wurde herausgefegt und quer durch die Zelle geschleudert. Auch mich traf etwas von dem Zeug im Gesicht.
Ich putzte es automatisch weg. Mit der anderen Hand griff ich an den Hals. Dort bekam ich die Kette zu fassen und zog das Kreuz unter meinem Pullover hervor.
In seiner vollen Größe hing es vor meiner Brust.
Laura wollte wieder springen, als ihre Raubtieraugen das wertvolle Kreuz sahen.
Die Bestie blieb stehen, als hätte sie einen gewaltigen Schlagbekommen.
Auf einmal fühlte ich mich sicher. Zwar war die Nachwirkung des Schlages nicht völlig verschwunden, aber ich spürte den Kraftstrom, der durch meine Adern schoß.
Hatte ich gesiegt?
Wir standen uns gegenüber, schauten einander im Licht der Kellerbeleuchtung an, und ich sah, daß die Gegenwart des Kreuzes ihr Ziel nicht verfehlte.
Ob Werwolf oder Vampir, beide wußten genau, daß dieses geweihte silberne Zeichen des Guten ihrem unseligen Leben ein Ende setzen konnte. Deshalb auch diese Furcht, die so stark war, daß sie die Bestie regelrecht durchschüttelte.
Laura zitterte. Sie hatte sich zurückgezogen und gegen das Mauerwerk des Käfigs an der Seite gepreßt. Dort stand sie mit offenem Maul, aus dem der Geifer floß und in dicke Tropfen zu Boden klatschte.
Mir fiel es schwer, mich auf den Beinen zu halten. Noch immer glaubte ich auf dünnen Planken oder sumpfigem Boden zu stehen, aber ich hatte meine große Chance genutzt, ob sie mir freiwillig oder unfreiwillig von Alexis überlassen worden war. Es war in diesem Fall unwichtig.
»Das Kreuz wird dich vernichten!« versprach ich der Bestie. »Die Silberkugel-Beretta habt ihr mir genommen, das Kreuz behalte ich. Als Bestie hast du kein Recht darauf, weiter zu leben…«
»Aber als meine Tochter!«
Als ich die scharf gesprochenen Worte der Frau hörte, blieb ich stehen und drehte den Kopf zur Seite.
Sie kam aus dem Dunkel des Kellers, und ihre Gestalt schälte sich nur allmählich hervor, so daß ich erst spät erkannte, was sie in der rechten Hand trug. Es war eine Pistole! Meine Beretta… Und die Mündung war auf mich gerichtet. Alexis zielte auf die Zwischenräume der Käfigtür, hinter der ich mich aufhielt. »Wenn du sie tötest, Sinclair, werde ich dich erschießen.«
Ich lachte auf. »Eine verdammte miese Logik. Weshalb haben Sie mich dann in den Käfig gesteckt, mir aber hinterher einen Schlüssel zugeworfen?«
»Ich wollte dir eine Chance geben.«
»Die habe
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