0372 - Werwolf-Omen
anschließend in die Höhe. Es war ein dunkler Himmel. Die Gestirne lagen versteckt hinter den Wolken. Selbst der Mond war durch den Wolkenschleier nur undeutlich zu erkennen.
Auf dem Feld hob sich leider die Gestalt der flüchtenden Laura Ascott nicht ab. Ich sah auch kein Haus. Ein Ziel schien es nicht zu geben, dennoch mußte das Mädchen zu irgendeinem Punkt hingelaufen sein.
Und dann traf es mich schockartig!
Es war ein schauriges, unheimlich klingendes Heulen, das durch die finstere Nacht hallte und mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagte.
So unheimlich klang es, daß selbst ich geschockt war und in angespannter Haltung dem Ton lauschte.
Er jagte über das Feld, mal höher, mal tiefer, dann wieder klagend oder triumphierend.
Ich hatte die Augen fast geschlossen, stand unter einer starken Konzentration und wollte es kaum wahrhaben, aber es stimmte.
Dieses Heulen war nicht normal, dennoch hatte ich es schon öfter vernommen, denn in meinem Job begegnete man den ungewöhnlichsten Gestalten, Monstern und geisterhaften Wesen.
Das Heulen hätte von einem Wolf stammen können.
Aber Wölfe gab es nicht in der Umgebung von London.
Da fiel es mir siedendheiß ein!
Das waren die Werwölfe!
Und auch eine andere Person hatte das Heulen vernommen. Sie saß an dem alten Küchentisch und starrte auf die Uhr an der Wand mit der geblümten Tapete. Weder der Fernsehapparat noch das Radio liefen, die Stille in der kleinen Küche war erdrückend, so daß selbst das Platzen der kleinen Kohlensäurebläschen in dem Mineralwasserglas zu hören war, das vor der Frau stand.
Die Person wußte Bescheid.
Und sie stöhnte auf, während sie gleichzeitig mit ihren Händen durch das lange grauschwarze Haar fuhr und es zu einem regelrechten Turm in die Höhe drückte.
Sie hatte es nicht geschafft. Diesmal war alles zu spät gewesen. Weshalb hatte Laura auch das Haus verlassen? Es war ihr doch verboten worden, aber sie hatte sich heimlich davongeschlichen.
Die Frau nahm das Glas in beide Hände und leerte es mit einem Zug. Danach erhob sie sich. Jetzt trat so etwas wie ein Katastrophenplan in Kraft. Unter keinen Umständen durfte es einem Fremden gelingen, Laura zu finden. Das wäre der Anfang vom Ende gewesen. Niemand sollte über den Fluch der alten Zeit informiert werden.
Die Frau verließ die Küche und betrat den schmalen Flur. Sie hatte überall das Licht brennen lassen, auch im schmalen Treppenhaus und in den kleinen Zimmern der oberen Etage.
Da wollte sie nicht hin. Dafür öffnete sie einen Wandschrank und holte eine Waffe hervor.
Es war ein Jagdgewehr. Bisher hatte sie damit nur auf Hühner oder Hasen geschossen, aber sie war fest entschlossen, auch auf Menschen zu zielen, wenn es sein mußte.
Laura mußte einfach gerettet werden und ins Haus zurückkehren.
Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Sie war nun einmal mit dem Fluch belastet, damit konnte sie auch leben, wenn sie sich an die Regel hielt, die sie leider überschritten hatte.
Bevor die Frau das Haus verließ, warf sie sich den alten Wollmantel über, der ihr in der Kühle der Nacht ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit gab.
Das Gewehr nahm sie mit, versteckte die Waffe allerdings unter ihrem Mantel. Sie wußte, daß in mancher Nacht Wildhüter oder Jäger unterwegs waren. Wenn sie einem von ihnen begegnete, wollte sie nicht gerade mit einer Waffe in der Hand erwischt werden.
Der Wind war kühl, aber nicht mehr schneekalt wie in den vergangenen Tagen. Vor dem Haus standen die alten Ulmen. Drei waren es an der Zahl. Unter ihnen parkte auch der alte Opel, den die Frau vor zwei Jahren bei einem Gebrauchtwagenhändler billig erstanden hatte.
Den Wagen wollte sie nicht nehmen. Zudem war der schmale Feldweg, der zwischen die Felder führte und eine Verbindung zur Straße darstellte, ziemlich tief und matschig.
Das Heulen hatte sie trotz der schallschluckenden Hausmauern vernommen. Für sie ein Beweis, daß es in der Nähe aufgeklungen sein mußte, auch wenn die Luft den Schall in der klaren Nacht weiter trug als bei Tageslicht.
Festes Schuhwerk war wichtig. Das besaß die Frau. Als sie den Schutz des Hauses verlassen und das freie Feld betreten hatte, traf sie der Wind von vorn und wehte ihre Haare weit zurück.
Es hatte auch keinen Sinn, Laura zu rufen. Der Wind hätte ihr die Worte von den Lippen gerissen, kaum daß sie erklungen waren.
Die Frau wußte, daß Laura, wenn sie nach Hause kam, stets den gleichen Weg nahm. Sicherlich
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