0373 - Das Schiff der Bestien
Schritte. Sie verstummten, die Tür wurde aufgerissen und auch die Köpfe der Diplomaten drehten sich dem Wageneingang entgegen.
Dort stand Gerald Ascot.
Er war wieder zurückgekehrt, nachdem man auf ihn geschossen hatte. Auch mußte er schnell gelaufen sein, das Fell dampfte regelrecht und verströmte einen noch penetranteren Geruch. Leicht geduckt und schleichend kam er auf die beiden Männer zu.
»Da muß etwas geschehen sein«, flüsterte der Engländer.
»Das Gefühl habe ich auch.«
Der Werwolf blieb vor ihnen stehen. Mit einer wilden Bewegung fetzte er die beiden Wodkagläser vom Tisch. Auch einige Papiere folgten.
Er starrte die Männer an. Der heiße Atem traf die Gesichter der Menschen. Reden konnte die Bestie nicht, allein ihr Ausdruck war für die Männer Drohung genug.
Unabhängig voneinander spürten der Engländer und der Russe, daß sich die Lage allmählich zuspitzte…
***
Auch für Suko und mich.
Wir beide waren unterwegs, um das Unmögliche möglich zu machen. Geiseln aus den Klauen wilder Werwölfe zu befreien, die sich in einem Zug verschanzt hatten.
Bisher hatte ich den Zug nicht aus der Nähe gesehen. Auch in der Halle war es ziemlich finster. Wir hatten uns hinter einem Kühlwagen geduckt und sorgten dafür, daß sich unsere Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnten.
Da nur die Notbeleuchtung brannte und auch keine Chance bestand, daß irgend jemand die Beleuchtung einschaltete, fiel es uns sehr schwer, etwas zu erkennen.
Wagen, Loks, Gleise. Zwischen ihnen bewegten wir uns voran.
Ich hatte die Führung übernommen. Eigentlich brauchte ich nur eine Lok zu suchen, die vor zwei Wagen gespannt war.
Und die entdeckte ich auch. Der kleine Zug war bis zum Ende der Halle durchgefahren. Die Lok berührte sogar einen Prellbock, der dicht an der Wand seinen Platz gefunden hatte.
Ich blieb stehen, winkte Suko heran und deutete auf den Zug.
»Das ist er.«
»Und es brennt Licht in den Abteilen.«
Man mußte die Fenster von innen mit Vorhängen verdeckt haben, denn das Licht drang nur sehr schwach durch die Scheiben. Zu hören war ebenfalls nichts. Mir kam es vor, als würde über der Lok und den beiden Wagen eine Glocke des Schweigens liegen.
Leider stand der Zug ziemlich frei. Wenn wir in den Führerstand der Lok wollten, mußten wir es geschickt anstellen. Auf Zehenspitzen bewegten wir uns weiter.
Ich schnupperte und nahm den Geruch von Öl, Stahl und auch Eisen auf. Das trockene Gefühl in meinem Hals bekam ich einfach nicht weg, räuspern wollte ich mich nicht. Jedes leise Geräusch wurde in dieser Halle zu einer unüberhörbaren Schallkulisse.
Dicht an den beiden Wagen schlichen wir entlang. Wir hielten uns in deren Windschatten, duckten uns, wenn wir an Türen vorbeikamen und erreichten die Lok.
Ich betrat als erster den Führerstand, während Suko noch abwartete und mir den Rücken deckte.
»Alles klar«, meldete er wispernd.
»Dann komm.«
Auch er stieg ein. So vorsichtig, wie ich die Eisentür aufgezogen hatte, drückte er sie wieder zu. Nebeneinander blieben wir stehen, schauten uns an und atmeten auf.
Zugleich wischten wir uns die Stirn trocken. »Teil eins hat geklappt«, meinte Suko.
»War auch leicht.«
Der Chinese deutete auf das Armaturenbrett, das mir doch ein wenig fremd vorkam. »Willst du es wirklich versuchen, John?«
»Wenn wir schon mal hier sind.«
»Wir können auch wieder zurück.«
Ich winkte ab. »Daran glaubst du doch selbst nicht.« Gleichzeitig bückte ich mich und öffnete zwei Konsolentüren am Führerstand.
»Was suchst du?«
Meine Hand wühlte schon zwischen Papieren und Schnellheftern.
»Vielleicht gibt es so etwas wie eine Bedienungsanleitung.«
»Nerven hast du, das muß man dir lassen.«
Ich ging auf Sukos Bemerkung nicht ein und schlug die Hefter auf. Das war nur Fachliteratur. Da ging es um Bahnrecht, Streckenführung, auch Gerichtsurteile waren aufgeführt worden, aber eine technische Anleitung für die Inbetriebnahme der Lok fand ich nicht.
Suko schaute sich derweil das Pult an. Er sah die Hebel und Schalter, eine Elektronik, die überwachte und für den Laien verwirrend wirkte.
»John, ich weiß es.«
Ich kam wieder hoch. Suko deutete auf das Schaltpult. Hebel und Knöpfe in verschiedenen Farben sah ich und einen Schaltplan…
»Schau dir das mal an.«
In den nächsten Minuten gingen wir beide die Möglichkeiten durch. Irgendwie einigten wir uns auch, und der Inspektor nickte mir zum Abschluß aufmunternd zu.
»Dann
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