0373 - Das Schiff der Bestien
versuch dein Glück.«
Ich will keinen Leser mit technischen Einzelheiten langweilen, jedenfalls wußte ich, daß ich mit dem Schaltrad, das die Geschwindigkeit steuerte, vorsichtig umgehen mußte.
»Auf jeden Fall mußt du schnell starten, John«, flüsterte mein Freund. »Wir müssen das Überraschungsmoment ausnutzen. Eine andere Chance sehe ich nicht.«
Suko nickte heftig. »All right, John, dann fahr.«
Ich räusperte mich. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Schweiß lag auf meinen Handflächen, ich hörte das Herz lauter schlagen. Das hier war eine Sache, die mich vor verdammt große Probleme stellte.
Lieber waffenlos gegen drei Zombies als so etwas.
Ich spürte einen kalten Luftzug über meinen Nacken fließen. Suko hatte die Tür geöffnet, ohne daß ein Laut entstanden war. Der Wind kühlte mich ein wenig ab, gleichzeitig fror ich auch.
»Ich bleibe so!« flüsterte mir mein Partner zu. »Wenn sie aus dem Wagen springen, schieße ich.«
»Gut.«
Jetzt kam es darauf an. Noch einmal ging ich die Stationen durch.
Noch nie hatte ich eine Lok in Bewegung gesetzt. Höchstens als Kind die Spielzeugeisenbahn.
Ich zwang mich zur Ruhe. Die Spannung stieg, als ich der Maschine den Saft gab. Im nächsten Moment durchlief ein Zittern die Maschine, daß ich vor meiner eigenen Courage erschrak.
Suko war stolz auf mich. »John, wir fahren!«
***
Plötzlich war alles anders. Die beiden Diplomaten, die damit gerechnethatten, daß sie der Werwolf in seiner Wut angreifen würde, saßen ebenso steif da, wie die Bestien standen.
Etwas Unheimliches war geschehen.
Der Zug fuhr.
Und dann noch zurück!
Aus dem Maul des zuletzt gekommenen Wolfs drang ein wütendes wildes Heulen, als er auf der Stelle kehrtmachte und den ersten Wagen so rasch wie möglich verließ.
»Glauben Sie an Wunder?« fragte der Engländer.
Der Russe nickte. »Mittlerweile ja. Von selbst fährt wohl kein Zug an – oder?«
Der englische Botschafter schüttelte nur den Kopf und horchte auf die brüllenden Geräusche, die aus dem anderen Wagen drangen.
Dort tobte die Bestie, und sie hatte sich ausgerechnet Morton Gamber ausgesucht.
Der Werwolf besaß zwar keine menschliche Sprache, er war auch kein Mensch, dennoch konnte er fühlen, ahnen und auch gewisse Zusammenhänge erkennen. Und die sah er in diesem Augenblick.
Morton Gamber saß auf einem Stuhl, als die Bestie in den Wagen stürmte. Sie schäumte im wahrsten Sinne des Wortes, da vor ihrem weißen Gebiß der Geifer sprühte.
Ihr Blick pendelte sich auf Gamber ein.
Dann war sie bei ihm. Sogar den Artgenossen hatte sie zur Seite gestoßen und riß den Mann hoch.
Morton wußte kaum, wie ihm geschah. Er hing im Griff der Bestie fest, die ihn wie eine Puppe einfach herumdrehte und auf die Außentür des Wagens zudrückte.
Eine Pranke brauchte das Untier nur einzusetzen. Mit der anderen riß sie die Tür auf.
Obwohl der Zug nicht sehr schnell rollte, den Bereich der Halle aber schon verlassen hatte, wehte der Fahrtwind in den Wagen. Und es war auch gefährlich, bei dieser Geschwindigkeit abzuspringen.
Daran dachte der Werwolf nicht. Er selbst schaffte so etwas leicht, und der Mensch?
Gamber spürte den harten Stoß, der ihn an der Wirbelsäule traf.
Für einen winzigen Moment hatte er noch die Hoffnung, sich retten zu können, dann stürzte er nach vorn und sah die anderen Gleise rasend schnell auf sich zukommen.
Er schlug auf.
Sein Schrei übertönte das Knacken der beiden Zähne, die ihm beim Aufprall gegen die Schienenkante verlorengingen. Er wollte sich zwar noch herumwälzen, da spürte er schon den Druck des Werwolf-Körpers auf seinem Rücken.
Gleich darauf riß die Bestie ihn hoch und preßte ihre Pranke gegen seine Kehle.
Derjenige, der den Zug fuhr, mußte die Botschaft verstehen.
Wenn er nicht anhielt, würde der Werwolf die Kehle des Mannes mit seiner Pranke durchstoßen…
***
Verdammt, der Zug fuhr! Wir hatten es tatsächlich geschafft. Das Zittern der Lok übertrug sich auch auf mich! Hinzu kam meine Nervosität, aber ich riß mich zusammen. Nur nicht aufgeben.
Der Zug fuhr zurück, bockte zwar gelegentlich, aber er fuhr, mehr konnte man eigentlich nicht verlangen.
Starr schaute ich durch die abfallende Scheibe nach vorn und sah unter mir das Schienenpaar hinweghuschen. Auch die Wände der Halle glitten vorbei, so daß ich mich allmählich wieder beruhigte, weil mir die Eindrücke vertraut vorkamen.
»Es ist alles klar, John!« hörte ich Suko sprechen.
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