0373 - Das Schiff der Bestien
»Keine Panik. Wir haben alles im Griff.«
Auf dem sinkenden Schiff, fügte ich in Gedanken hinzu und hoffte, daß es tatsächlich so laufen würde, wie Suko es vorausgesehen hatte. Wenn es brenzlig wurde, konnte ich die Lok auch stoppen, das war für mich das Hauptproblem.
Hoffentlich ging alles in Erfüllung, was wir uns wünschten. Die Werwölfe mußten längst bemerkt haben, was sich da tat, und ich wartete auf eine Reaktion.
Noch erfolgte sie nicht. Nahezu unnatürlich ruhig blieb es. Ich vernahm allein die Fahrgeräusche, die schwächer wurden, als wir den Bereich der lauten Halle verließen.
Jetzt befanden wir uns schon auf freiem Gelände. Auf dem Nebengleis standen einige Wagen. Sie huschten wie ein langer, kompakter Schatten vorbei.
Da warnte mich Suko. »John, es geht los!«
Ich zuckte unter dem Klang seiner Stimme zusammen. »Was ist geschehen?«
Der Inspektor gab mir noch keine Antwort. Ich hörte ihn scharf atmen, dann ein »Verdammt« flüstern, und schon kam die Lagebeschreibung, die mir das Blut ins Gesicht trieb.
»Er hat ihn rausgeworfen! Jetzt springt er hinterher!«
Mein Freund brauchte nicht mehr weiterzureden, denn ich sah es jetzt selbst, da die Lok den Ort des Geschehens passierte.
Slick Espe hatte mir von seinem Kollegen erzählt, der ein Gefangener der Bestien war. Ihn hatten die Werwölfe nach draußen geschleudert, und einer von ihnen war direkt hinterher gesprungen, hielt den Mann im Griff und hatte eine Pranke so vor seine Kehle gelegt, daß mir der Zweck dieser Haltung schon beim ersten Blick klarwurde.
Er wollte den Mann killen!
Was sollte ich tun?
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück. Vielleicht wußte Suko einen Rat.
Mein Partner handelte schon. Er sprang in dem Augenblick aus dem fahrenden Zug, als ich ihn ansprechen wollte. Wenig später rollte ich an seinem Körper vorbei, und jetzt mußte ich das tun, was ich eigentlich nicht so schnell vorgehabt hatte.
Bremsen!
Es war wie beim Anfahren. Auch das Bremsen geschah nur mehr stotternd und abgehackt, aber ich bekam den verdammten Zug zum Stehen, verließ den Steuerstand und war mit einem Satz an der offenen Tür des Ausstiegs.
Der nächste Sprung brachte mich ins Freie. Neben der Lok blieb ich stehen, wollte zurücklaufen, als ich das fürchterliche Gebrüll hinter mir vernahm.
Auf dem Absatz drehte ich mich.
In der offenen Tür des zweiten Wagens schauten die beiden Werwölfe hervor. Und sie hatten sich eine verdammt gute Position ausgesucht, denn Geiseln befanden sich in ihrer Gewalt.
Es waren zwei ohnmächtige, wehrlose Frauen!
Im Nu stand die Lage wieder auf der Kippe. Unser Sieg war nur mehr ein vorläufiger gewesen, weil die Gegner einfach zu kalt und abgebrüht reagiert hatten.
Das wußte auch Suko.
Er war gekonnt aus dem fahrenden Zug gesprungen und auch so glücklich aufgekommen, daß er sich nichts verstaucht hatte. Nachdem er sich abgerollt hatte, stand er gleich wieder auf.
Überdeutlich waren die beiden so unterschiedlichen Lebewesen zu sehen. Der Mensch steckte voller Angst. Umklammert wurde er von einem gefährlich aussehenden Werwolf, dessen rechte Pranke mit den ausgefahrenen Krallen direkt auf seinen Hals wies und ihn sicherlich mit einem Schlag durchstoßen konnte, wenn Suko sich falsch bewegte.
So blieb er stehen.
Auch der Werwolf und sein Opfer waren gewissermaßen erstarrt.
Nur etwas vernahm Suko. Der Zug fuhr noch, die rollenden Geräusche begleiteten ihn, aber auch die Lok mit den beiden Wagen mußte sehr schnell stoppen. Sie waren hinter dem Chinesen zur Ruhe gekommen. Suko hörte auch, wie sein Freund John Sinclair ins Freie sprang. Helfen konnte er ihm nicht.
Ruhe kehrte ein.
Sie war unnatürlich und von keinem gewollt, aber jeder von uns mußte sich darauf einstellen.
Ich hörte die Stimme meines Partners. »Wie sieht es bei dir aus, John?«
Mein Blick fiel auf Sukos Rücken. »Schlecht.«
»Ebenfalls.«
Jetzt meldete sich der Lokführer. »Tun Sie nichts!« flehte er, »sonst bringt diese Bestie mich um. Die zerschlägt mir den Hals. Da kennt sie nichts.«
»Keine Sorge!« hörte ich Suko sprechen. »Sie werden Ihr Leben nicht verlieren.« Er wandte sich wieder an mich. »Siehst du etwas von den anderen Bestien?«
»Ja, sie stehen in der Tür. Zumindest zwei von ihnen. Jeder hat eine Frau als Geisel.«
»Dann kommen wir schlecht raus.«
»So ist es.«
Ich wußte tatsächlich nicht, was ich noch unternehmen sollte. Ich kannte die Brutalität und
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