0374 - Der Inka-Henker
in eine Zeit wie diese?
Ernesto Lazarro hatte am Fenster gestanden und in die Nacht gestarrt. Hoffentlich hatte er mit seiner Alarmmeldung nicht die Pferde scheu gemacht, aber die lockende Stimme war vorhanden gewesen, daran gab es nichts zu rütteln.
Ernesto war vor der Großstadt aufs Land geflohen. Er hatte gelernt, das Leben mit anderen Augen zu sehen, denn er wußte, daß es Dinge gab, über die Städter lachten, die für ihn jedoch nach langen Diskussionen mit der Landbevölkerung einen anderen Sinn bekommen hatten.
Es existierte ja so viel zwischen der Geburt und dem Tod. Viele Rätsel, mit denen sich der normale Mensch überhaupt nicht befaßte oder befassen wollte.
Im Haus des Pfarrers kannte sich Ernesto aus. Der Geistliche und er hatten so manchen Abend zusammengesessen und über alles Mögliche diskutiert. Der Geistliche hatte sich dabei als sehr verständiger und auch diskussionsfreudiger Partner gezeigt, der für Spanien als progressivgelten mußte.
Die beiden waren im Laufe der Zeit zu Vertrauten geworden, und da Ernesto sich im Hause des Pfarrers auskannte, wußte er zum Beispiel genau, wo der Schnaps stand.
Sicherlich würde Pater Dorio nichts dagegen haben, wenn er sich ein Schlückchen nahm. Die diversen Liköre und Weinbrände ließ er stehen. Statt dessen schenkte er sich einen Selbstgebrannten ein. Pater Dorio bestellte diesen Stoff bei einem Bauern im Ort, der sich darauf spezialisiert hatte.
Ernesto verzog das Gesicht, als er das Brennen in der Kehle spürte. Das Zeug breitete sich im Magen aus und schien alles in Flammen zu setzen. Aber es tat gut. Mehr als einen durfte man davon nicht trinken, sonst wölbten sich einem die Zehennägel.
Mit dem zweiten Schluck ließ er sich Zeit. Erst als das Brennen abgeklungen war, leerte er das Glas.
Er wollte es gerade auf den Tisch setzen, als sich das Telefon meldete. Das Klingeln schreckte ihn auf. Er hätte das Glas fast noch fallen lassen, ging zum Apparat, zögerte jedoch, den Hörer aufzunehmen. Nach dem vierten Klingeln faßte er sich ein Herz und meldete sich mit einem schwachen »Hallo…«
Zunächst vernahm er nichts. Bis die wispernde Stimme erklang.
»Bist… bist du es, Ernesto?«
Über das Gesicht des jungen Mannes glitt ein Lächeln. Er kannte die Stimme. Sie gehörte seiner Freundin Ava. Er hatte ihr erzählt, wo er zu finden war, nur über seine eigentliche Aufgabe wußte sie nicht Bescheid.
»Ja, ich bin es.«
Ava atmete auf. »Ein Glück. Ich hatte schon gedacht, ich würde dich nicht erreichen.«
»Wieso?«
»Weil du doch verschwunden bist.«
»Unsinn. Ich sagte dir ja Bescheid.«
»Du hast so geheimnisvoll getan.«
»Wie das denn?«
Ava wußte nicht so recht. »Als ob ihr beide etwas Verbotenes vorgehabt hättet.«
Ernesto lächelte. »Das bildest du dir ein, Mädchen. Nein, da ist nichts.«
»Sicher. Vielleicht. Wann kommst du denn zurück?«
»Hm«, machte Ernesto. Er schaute dabei auf seine Uhr. »Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Es ist möglich, daß sich die Sache noch bis zum Morgen hinzieht.«
Damit war Ava nun gar nicht einverstanden. »Was habt ihr denn so lange zu bereden?«
»Es geht um gewisse Dinge…«
»Weich mir nicht aus, Ernesto. Ich merke genau, wann du lügst. Das ist hier der Fall. Du hast gelogen.«
»Wie willst du das denn beweisen?«
»Indem ich zu dir komme. Ich möchte auch mal wissen, was dabei so interessant sein kann, im Pfarrhaus zu sitzen. Dabei habe ich ein warmes Bett, in dem für dich auch noch Platz ist.«
»Morgen nacht.«
»Das hast du mir schon so oft gesagt. In der letzten Zeit bist du furchtbar. Was hast du überhaupt?«
»Ich bin nicht furchtbar, sondern einer gewissen Sache auf der Spur.«
»Zusammen mit dem Padre?«
»Ja.«
»Und darüber willst du nicht reden?«
»Nein, Ava, noch nicht. Der Padre und ich wollen strengstes Stillschweigen bewahren. Verstehst du das denn nicht?«
Sie lachte unecht. »Wer mit dir zusammen ist, muß für Vieles Verständnis haben. Aber lassen wir das. Wer nicht will, der hat schon.«
Mit diesen Worten hängte Ava ein, und der junge Mann horchte kopfschüttelnd in die leere Leitung.
Als er auflegte, zeigte seine Stirn ein Faltenmuster. Er kannte Ava, und er wußte auch, daß er sie mit seinen Worten nicht hatte überzeugen können. Sie war ein eigenwilliges Persönchen, dabei sehr temperamentvoll. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie plötzlich im Pfarrhaus erschien. Weit hatte sie es nicht. Mit ihrem Fiat
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