0374 - Der Inka-Henker
er stieg weiter aus seinem feuchten Grab. Jetzt, beim zweiten Versuch, hatte er die nötige Kraft gesammelt, die er brauchte, um die schwere, feuchte Lehmerde zur Seite zu schieben und sich Platz zu verschaffen.
Er kam hoch und höher…
Nichts hielt ihn mehr auf. Mit der rechten Schulter stieß er durch.
Ich sah die mit dünner Haut bespannte Rundung und den Schädel, der sich wenig später zeigte.
Ein Totenkopf?
Nein, eine Mischung aus Knochenschädel und normalem Kopf, auf dem ein alter verrosteter Helm wie festgeleimt saß. Man hatte den Konquistador mit seiner Kampfkleidung begraben, so war es wohl üblich, und auch sie war kaum verwest.
Und so stieg er höher.
Ein grünlich schimmerndes, gleichzeitig fahles Gesicht, in dem sich noch immer die Augen befanden, die wie alter Gelee in den Höhlen zitterten, wenn sich der lebende Tote bewegte.
Er war ein Zombie!
Allerdings keiner, der durch den unheimlichen Voodoo-Zauber geweckt worden war, sondern jemand, der eine andere Kraft oder Magie an der langen unsichtbaren Leine führte.
Wir ließen ihn kommen.
Zwischendurch warf ich einen Blick auf den neben mir stehenden und ebenfalls auf den Grabstein schauenden Pfarrer. Der gute Mann betete, und im Gesicht sah er ähnlich bleich und schlecht aus wie der aus dem Grab steigende lebende Tote.
Dieser unheimliche Zombie strömte ein Grauen aus, das uns beide frösteln ließ. Wie gebannt waren wir von seinem Anblick. Wir bekamen auch mit, daß er zuerst sein rechtes Bein hob, um den Fuß neben die rechte Seite des Grabes zu setzen.
Ein häßlich klingendes Knirschen erreichte dabei unsere Ohren, als wäre ein Knochen gebrochen oder angeknackt worden.
Er stemmte sich ein, gab sich selbst sogar Schwung und stieg vollends aus dem Grab.
An seinem Rand blieb er stehen.
Ich war ebenso zurückgezuckt wie auch der Pfarrer. Er sollte uns auf keinen Fall zu schnell sehen, noch war er nicht gefährlich.
Rüstung, Beinkleider, Stiefel, Schwert, Helm, das alles war noch vorhanden. Überall klebte der Dreck des Grabes. Wahrscheinlich krabbelten auch noch Würmer oder Käfer in irgendwelchen Falten oder Taschen seiner Kleidung.
Noch stand er.
Sehr langsam drehte er dabei den Kopf, schaute in verschiedene Richtungen und schien zu prüfen, in welche er sich bewegen wollte.
Mich stieß der Pfarrer an. »Wollen Sie nicht etwas tun, Señor Sinclair?« hauchte er.
»Und was?«
»Ihn vernichten. Das ist ein Wesen der Hölle. Sie müssen es töten. Sie haben die entsprechenden Waffen, das weiß ich genau. Tun Sie uns den Gefallen…«
»Weshalb?«
Er schnappte nach Luft. »Das fragen Sie noch? Dieses Wesen ist eine Ausgeburt des Teufels. Ein… ein …«
Ich hob die Hand und beruhigte ihn. »Lassen Sie es mal gut sein«, gab ich wispernd zurück. »Noch hatte er uns und anderen nichts getan. Ichwill Ihnen eines sagen. Auch bei schwarzmagischen Geschöpfen gibt es Gründe oder Motive für ihr Tun, mögen die Handlungsweisen uns auch noch so unerklärlich erscheinen.«
»Sie müssen es wissen«, erwiderte der Pfarrer, und seine Stimme klangdabei gequetscht.
Von mir bekam er keine Antwort mehr, da ich den Zombie beobachtete. Sein Grab hatte er inzwischen völlig verlassen. Ein wenig unschlüssig noch stand er davor und drehte weiterhin den Schädel, als suchte er etwas.
Plötzlich durchzuckte es seinen Körper, als hätte er einen Stromschlag erhalten. Er verharrte in der Bewegung, und der Blick seiner wie tot wirkenden Augen stierte dorthin, wo wir hinter dem Grabstein Deckung gefunden hatten.
Hatte er uns gesehen?
Ich war zurückgezuckt, das hieß allerdings wenig, denn Zombies sind mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Sie »riechen« Menschen. Und Menschen sind für sie Feinde, die sie vernichten.
Wahrscheinlich hatte er bemerkt, daß in seiner Umgebung etwas nicht stimmte, und auch wir wagten erst nach einer Weile, wieder um den Grabstein hervorzuschauen.
Das heißt, der Padre traute sich nicht so recht. Ich aber reckte meinen Kopf vor.
Bevor ich überhaupt etwas erkennen konnte, vernahm ich schon das dumpfe Klatschen.
Es entstand, wenn der Zombie durch Wasserpfützen trat, und davon gab es genug.
Ich starrte ihn an, er sah mich an.
Und ich wußte eines.
Er kam direkt auf mich zu!
Noch war er nicht gefährlich. Uns trennte eine gewisse Distanz, die er, wenn er so langsam weiterging, auch nicht so rasch überbrücken konnte. Deshalb sah ich die Lage auch nicht als zu schlimm an und machte den Padre darauf
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