0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
Verkehrsstauung verlor ich ihn aus den Augen. Daraufhin tat ich mich in der Bowery und in den umliegenden Straßen um. Ich hatte wenig Hoffnung, Kovar wiederzufinden. Aber ich wollte nichts unversucht lassen.«
»Sie suchten alle dafür in Frage kommenden Kneipen auf?«
»Ja, auf gut Glück. Ich kenne die meisten Wirte und stehe gut mit ihnen. Deshalb kam ich auch zu Schilsky. Ich beschrieb ihm meinen Klienten.Schilsky erklärte mir daraufhin, daß Kovar schon am Vorabend dort gewesen sei und sich sehr sonderbar benommen habe. Eine Tausend-Dollar-Note sei von ihm herumgezeigt worden und…« »Und?«
»Nichts.«
»Doch«, sagte ich. »Sie wissen, daß Kovar einen Mörder sucht.«
»Das wird behauptet. Aber noch liegen keinerlei Beweise dafür vor.«
»Erzählen Sie weiter!«
»Ich sah Sie bei Schilsky. Ich sah Sie wieder vor Billys Kneipe. Man hatte mir inzwischen zugeflüstert, daß Kovar dort sei. Ich ging in die Bar, um auf Kovar aufzupassen. Dabei bemerkte ich, daß Sie ein lebhaftes Interesse für meinen Klienten zeigten. Ich vermutete, daß Sie von dem angeblichen Mordauftrag gehört hatten und jetzt hinter Kovar herseien, um sich entweder den Auftrag zu sichern oder um Kovar die Banknote abzunehmen. Um das zu prüfen, klappte ich die Brieftasche meines Klienten so ungeschickt auf, daß der Schein herausfiel. Als Sie sich daraufhin erboten, Kovar mit mir abzuschleppen, war ich sicher, einen Hai vor mir zu haben. Deshalb habe ich Sie dann in der Toreinfahrt niedergeschlagen.«
»Wie sind Sie aus der Bowery gekommen?«
»Ich hatte Mrs. Kovar angerufen und ihr gesagt, daß sie ihren Mann per Wagen abholen soll. Sie war schon in der Nähe, als ich Sie ausschaltete.«
»Haben Sie der Frau erzählt, was vorgefallen war?«
»Nein, weder von dem angeblichen Mordauftrag, den Kovar vergeben will — noch von Ihrem Auftauchen. Ich habe der Frau lediglich erklärt, daß ihr Mann zuviel getrunken habe und zusammengeklappt sei.«
***
Ich frühstückte im Büro. Den letzten Bissen hatte ich mit starkem Kaffee noch nicht hinuntergespült, als sich die Tür öffnete und Louis Aguda hereinschneite.
»Gut, daß du kommst«, sagte ich und schob ihm 30 Dollar über den Schreibtisch zu. Ich hatte das Geld bei der Buchhaltung losgeeist. »Du hast mir erzählt, daß der Weißhaarige sein Sprüchlein vorgestern abend nicht nur bei dir, sondern noch bei einem zweiten Mann in der ›Grünen Lady‹ angebracht hat. Diesen Mann suche ich.«
»Hä, Mr. Cotton, das ist schlecht. Ich kenne den Burschen nicht. Ich habe ihn zum erstenmal in der ›Grünen Lady‹ gesehen. Ich kann Ihnen zwar beschreiben, wie er aussieht, aber…«
»Leg mal los. Wie sieht der Mann aus?«
»Er ist mittelgroß und breitschultrig und hat rote Haare und ein sehr bleiches sommersprossiges Gesicht. Mir ist aufgefallen, daß seine oberen Schneidezähne fast so lang wie Eberzähne sind. Tja, das is’ alles, was ich von ihm weiß.« Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer des Archivs. Als sich der zuständige Kollege meldete, sagte ich: »Schick mir doch bitte alle Unterlagen über Dominik Tresoro, genannt der ,Eberzahn.«
»Okay, Jerry.«
Ich legte auf.
Aguda starrte mich erstaunt an. »Kennen Sie den Mann, Mr. Cotton?«
»Nicht persönlich. Aber ich habe schon ’ne ganze Menge von ihm gehört. Leider nichts Erfreuliches. Er ist ein Automarder und Geldschrankknacker. Er hat gerade vier Jahre Zuchthaus in Illinois abgebrummt und ist — wenn ich mich nicht irre — vor wenigen Wochen entlassen worden. Daß er hier in New York ist, erfahre ich allerdings erst durch dich.«
Mein Kollege kam und’brachte einen umfangreichen Schnellhefter, der alles Wissenswerte über Dominik Tresoro enthielt. Ich nahm eines der Fotos heraus und zeigte es Aguda.
»Natürlich, das is’ er, Mr. Cotton. Ganz bestimmt.«
»Ausgezeichnet«, sagte ich zufrieden. »So schnell ging’s noch nie. Na, ein bißchen Glück muß man manchmal haben. — Falls du den Mann irgendwo siehst, Louis, rufst du sofort hier an.«
»Selbstverständlich.« Der Penner trollte sich.
Ich studierte die Unterlagen über den Verbrecher. Er war vierzig Jahre alt und sechsmal vorbestraft. Insgesamt hatte er 13 Jahre hinter Gittern verbracht. Ich las seine Akte genau durch, und je weiter ich las, um so unruhiger wurde ich. Dominik Tresoro schien aus einer völlig kriminellen Familie zu stammen. Der Vater war in St. Louis bei einer Auseinandersetzung unter Gangstern erschossen worden. Über
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