0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
Gesellschaft gekommen, es ist das Office in der Nähe des Times Square in Manhattan, der Mann hat den Umschlag abgegeben, die Zustellungsgebühr bezahlt und ist dann verschwunden. Es soll ein mittelgroßer Mann, ein Weißer, gewesen sein. Etwa vierzig Jahre alt, gut gekleidet, blasses Gesicht. Das war alles, was der Boy wußte.«
»Sie haben Geld und Fahrkarte genommen und sind nach Tucson gefahren?«
»Ja. Gestern mittag kam ich hier an. Ich wohne seitdem hier und warte jetzt auf Hillbeam.«
»Und wenn Hillbeam nicht kommt?«
»Warum sollte er nicht kommen? Er hat sich bereits erhebliche Ausgaben gemacht.«
»Ich glaube nicht, daß es diesen Oskar Hillbeam überhaupt gibt.«
Zwillinger starrte mich an. In seinen Augen lag ein böses Funkeln.
»Sie denken, ich lüge?«
»Ja.«
»Warum sollte ich lügen?«
»Ich wül vorsichtig sein und Sie nicht einer Tat beschuldigen, solange ich keine Beweise habe. Aber es sieht schlecht für Sie aus — nach dem Mord.«
»Was für ein Mord?« Für einen Augenblick hellte sich sein Gesicht auf. »Meinen Sie den Toten aus dem Park? Der Wirt hat mir davon erzählt.« Für einen Augenblick wirkte seine Überraschung beinahe echt. »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich den Mann umgebracht habe? Wie käme ich dazu? Ich kenne hier niemanden. Es ist das erste Mal, daß ich in Tucson bin. Und Hillbeam hat mich bestimmt nicht für einen Mord engagiert. Ich würde das Geld sofort zurückgeben — abzüglich der Spesen natürlich — und…«
»An Ihnen ist ein Schauspieler verlorengegangen, Zwillinger. Der Tote aus dem Park ist Jack Kovar.«
Der Detektiv saß völlig reglos. Die Zigarette hielt er zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Ein dünner Rauchfaden stieg fast senkrecht empor. Das brennende Ende der Zigarette wies nach unten. Die Glut kroch langsam hoch. Sie berührte Zwillingers Haut, und der Mann zuckte zusammen. Im Aschenbecher drückte er die Zigarette aus.
»Kovar?«
»Ja. Kovar.« Ich schob den Teller zur Seite, griff nach meinem Whiskyglas und sagte: »Begreifen Sie jetzt, daß Ihr Erscheinen verdächtig ist.«
»Ich habe mit dem Mord nichts zu tun.«
»Das wird sich heraussteilen.«
»Der Mord ist gestern nachmittag verübt worden?«
Ich schwieg. Er nahm es als Zustimmung und fuhr fort: »Wenn ich der Täter wäre, dann hätte ich mich doch längst davongemacht.«
Ich winkte ab. »Ihre Anwesenheit ist kein Beweis Ihrer Unschuld. Es mag Gründe geben, deretwegen Sie hier sind. Vielleicht rechnen Sie damit, daß wir es nicht für möglich halten, daß der Täter in der Nähe des Tatortes bleibt. Es lohnt jetzt nicht, darüber zu reden. Jedenfalls muß ich Sie bitten, mich zum hiesigen FBI-Büro zu begleiten.«
»Dann verpasse ich Hillbeam.«
»Sie Optimist. Aber gut. Ich will Ihnen die Möglichkeit lassen. Warten wir gemeinsam. Es ist jetzt«, ich blickte auf die Uhr, »kurz vor neun. Wenn Mr. Hillbeam bis Mitternacht nicht aufkreuzt, machen wir uns in Richtung FBI auf die Strümpfe.«
Zwillinger nickte. »Einverstanden.« Ein Schweigen entstand.
»Zeigen Sie mal Ihren Waffenschein«, sagte ich nach einigen Minuten.
Der Detektiv griff in die Brieftasche und brachte das Dokument zum Vorschein. Es war ordnungsgemäß ausgestellt und für eine 38er Police Special gültig.
»Tragen Sie die Waffe bei sich?«
»Natürlich.« Er schob die Rechte unter die Jacke und zog die Pistole.
Als er das bläulich schimmernde Metall ins Licht brachte, sträubten sich für einen Moment meine Nackenhaare.
Zwillinger legte die Waffe auf den Tisch. Sie machte einen gepflegten Eindruck. Ich nahm sie auf und roch an der Mündung. Von Cordit war nichts zu spüren.
»Wann haben Sie das Ding zum letzten Mal geölt?«
»Bevor ich in New York abfuhr.«
»Haben Sie schon mal eine 22er gehabt?«
»Nein.« Er kapierte den Sinn meiner Frage. »Ist Kovar mit einer 22er erschossen worden?«
Ich nickte.
»Ich sagte schon, G-man, daß ich’s nicht war.«
Ich ließ das Magazin aus der Police Special gleiten, nahm die Patronen heraus, zog den Schlitten zurück, schüttelte die zusätzliche Patrone aus dem Lauf, steckte die Patronen in die Tasche und gab Zwillinger dann die Waffe zurück. »Sie bekommen die Patronen wieder, falls sich nicht herausstellen sollte, daß Sie in üble Dinge verwickelt sind.«
Die Mulattin kam und räumte das Geschirr ab. Dabei blickte sie scheu von Zwillinger zu mir und ließ ihre seidigen Wimpern wie einen Vorhang sinken, als sie merkte,
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