0374 - Ein Mörder rechnet zweimal ab
daß ich' ihren Blick auffing. Entweder hatte das Mädchen hinter der Tür gelauscht, oder es spürte die gefährliche Spannung, die zwischen dem Detektiv und mir lag.
Als das Girl verschwunden war, herrschte einige Minuten Stille. Sie wurde durch ein leises schabendes Geräusch unterbrochen, das an der Tür entstand. Ich wandte den Blick und sah, daß sie einen Spalt weit geöffnet worden war.
Payne schob seinen fuchsigen Schädel herein und musterte uns für Bruchteile von Sekunden. Dann zog er den Kopf zurück, und die Tür klappte zu.
Wir warteten.
Die Minuten schienen sich endlos in die Länge zu ziehen. Ich beobachtete den Minutenzeiger meiner Uhr. Wir sprachen nicht mehr. Zwillinger rauchte ohne Unterlaß. Sein Gesicht war fast ständig hinter einem bläulichen Rauchschleier versteckt. Der Mann war nervös. Er hatte den Kopf zur Seite gewandt und blickte durch die mit hauchdünnen Schmutzflecken besprenkelte Fensterscheibe hinaus in die Sommernacht. Ab und zu gab es einen dumpfen Bums, wenn ein Käfer, angelockt durch das Licht der Tischlampe, gegen die Scheibe prallte.
Ich hatte mir noch einen Whisky kommen lassen. Aber ich trank vorsichtig und mischte viel Sodawasser in die goldgelbe Flüssigkeit.
Die Nacht hat ihre eigenen Geräusche. Aber jedesmal, wenn eine Tür im Haus klappte, ein Auto in der Nähe vorbeifuhr oder Stimmen erklangen, hob Zwillinger den Kopf und starrte mich durch den Zigarettennebel an.
Zwillingers Gesicht wirkte jetzt so hart wie eine Bronzemaske. In den eisblauen Augen zuckten kleine Lichter, wie bei einem Raubtier, das sich zum Sprung vorbereitet.
»Es ist Mitternacht, Zwillinger. Ihr Hillbeam hat sich bis jetzt nicht blicken lassen, und zu einer Zugabe bin ich nicht bereit. Ich werde jetzt einen Kollegen vom FBI-Büro telefonisch benachrichtigen, damit wir abgeholt werden.«
Der Detektiv nickte, schob den Stuhl zurück und erhob sich. Er war eine Sekunde eher in der Senkrechten als ich, und er nutzte den Vorsprung. Mit einer blitzschnellen Bewegung kippte er den Tisch auf mich. Die Kante stieß mir gegen den Magen und klemmte mich auf dem Stuhl fest. Das Whiskyglas zerklirrte auf dem Boden. Der übervolle Aschenbecher schlitterte mir auf dem Tischtuch entgegen, machte vor dem Ausschnitt meines Jacketts halt, stellte sich auf die Nase und entleerte Kippen, Asche, gebrauchte Streichhölzer und zwei Verschlußkapseln von Sodaflaschen mit erstaunlicher Präzision in meine Jacke.
Ich riß die Arme vor und wuchtete den Tisch weg.
Zwillinger hatte mit einer blitzschnellen Bewegung seine Pistole aus der Schulterhalfter gerissen. Bevor ich es verhindern konnte, schlug er mir den brünierten Lauf von links gegen das Gesicht. Offenbar wollte er meinen Schädel treffen, kam jedoch zu tief ab und schabte mit dem Korn über meinen Wangenknochen.
Es war ein höllischer Schmerz. Benommen von der Schlagwirkung, sackte ich einen Augenblick vornüber, entging durch Zufall einem zweiten Hieb, spürte das Brennen auf der Wange und hörte, wie eine Tür ins Schloß fiel.
Ich stieß den Tisch weg.
Von Zwillinger war nichts mehr zu sehen.
Ich schüttelte den Kopf wie ein angeschlagener Boxer, der die Wirkung überwinden will, schob den Tisch zurück und stand auf. Auf kaugummiweichen Beinen rannte ich zur Tür.
Als ich sie auf riß, fiel mir die Mulattin in die Arme, die offensichtlich durch das Schlüsselloch gepeilt hatte. Ich stellte das Mädchen auf die Füße und blickte mich erstaunt um. Dann merkte ich, daß ich in der Eile die falsche Tür erwischt hatte. Ich stand schon halb in der Küche.
Ich machte kehrt und flitzte durch den Raum. Ich zog die zweite Tür auf, sauste durch den Gang, kam ins Treppenhaus, wandte mich nach rechts und sah Payne, der neben seinem Pult lehnte und sich mit einem großen weißen Taschentuch die Stirn betupfte.
»Wohin ist er?«
Payne deutete zur Haustür.
Ich segelte in die Sommernacht, stolperte über einen Stein und rannte in den Park. Als ich jenseits der grünen Hecke angelangt war, blieb ich stehen, hielt den Atem an und lauschte.
Grillen zirpten im Gras. Ein Motorrad knatterte die nahe Straße entlang. Von Zwillinger war nichts zu hören.
In diesem Teil des Parks war es dunkel. Erst in etwa hundert Yard Entfernung schaukelte eine Bogenlampe im Nachtwind.
Groß konnte Zwillingers Vorsprung nicht sein. Wahrscheinlich stand der Kerl in der Nähe und wartete ab. Oder war er noch im Haus? In seinem Zimmer?
Nein, entschied ich. Payne wußte
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