0375 - Die Mörder-Druidin
Der weiße Overall leuchtete schwach wie Phosphor. Er mußte ein wenig Licht aufgefangen haben und sandte dieses Licht jetzt allmählich wieder aus. Es war nicht viel, aber es reichte, die Gestalt undeutlich erkennen zu lassen.
Wang Lee holte die Zündholzschachtel hervor und riß eines der Hölzchen an. Im Schein der kleinen Flamme erkannte er in der Tat Sara Moons Gesichtszüge und ihr silbernes Haar.
Er fragte sich, warum sie zurückgelaufen war. Sehnte sie sich so sehr nach der Hölle? Das war schwer möglich. Es gab nur eine andere vernünftige Lösung. Sie mußte auf etwas gestoßen sein, das ihr so panische Angst versetzt hatte, daß sie blindlings floh.
»Hm«, machte Wang Lee Chan. »Was nun?«
Hier zurücklassen konnte und wollte er die Besinnungslose nicht. Also blieb nur eines: sie mitschleppen, wenn er hier nicht warten wollte, bis sie von selbst wieder erwachte. Denn er wollte keine Zeit verlieren.
Irgendwie war ihm dieser fast endlose schwarze Gang unheimlich. Wang fühlte ein seltsames Prickeln im Nacken. Ihm war, als schleiche ihm etwas oder jemand nach. Aber er konnte keinen Verfolger entdecken, auch nicht, als er ein weiteres seiner Zündhölzer opferte, die er immer bei sich trug - auch in der Hölle war es mitunter nützlich, ein eigenes Feuer entfachen zu können…
»Wahrscheinlich ist es nur das Wissen, daß man mich nicht in Ruhe ziehen lassen wird«, versuchte er sich zu beruhigen. Entschlossen lud er sich die Besinnungslose so über die Schulter, daß er trotzdem noch an sein Schwert kam, und setzte sich wieder in Marsch.
Mit der richtigen Atemtechnik, die er beherrschte, war es kein Problem, trotz der zusätzlichen Last einigermaßen schnell zu laufen. Im lockeren Trab setzte er seinen Weg fort.
***
Wang wurde in der Tat verfolgt, aber es war kein Wunder, daß er diesen Verfolger nicht entdecken konnte. Der Schatten Leonardo deMontagnes war dicht hinter ihm und beobachtete jede seiner Bewegungen.
Aber Schatten, die im Dunkeln gleiten, sieht man nicht…
Der Schatten setzte Wang Lee nach und wartete auf seine Chance. Die würde kommen, sobald der Mongole die Schatzhöhle in Tansania verließ.
***
Nicole öffnete die Augen. Sofort war die Erinnerung wieder da. Die Erinnerung an den Überfall Kreis. Was hatte den Mann dazu gebracht, und weshalb war er plötzlich so schmerzunempfindlich, obgleich er noch ein paar Minuten zuvor über seine Armverletzung geklagt hatte?
Vorsichtig drehte sie den Kopf, um zu sehen, wo sich Krel jetzt befand. Sie wollte ihm nach Möglichkeit nicht zu früh verraten, daß sie wieder bei Bewußtsein war. Sie war sicher, daß er sie hatte umbringen wollen. Warum war er aber im letzten Moment wieder davon abgekommen?
Ihr war klar, daß sie dem Tod selten so nah gewesen war wie in diesem Moment.
Sie sah ihn. Er saß neben dem Lagerfeuer und sah sie unverwandt an.
Es hatte keinen Zweck, sich zu verstellen. Das Öffnen der Augen hatte sie bereits verraten.
Krel erhob sich. Er stieß wieder ein paar für Nicole unverständliche Worte hervor. Sie reagierte nicht darauf. Da kam er auf sie zu. Darauf hatte sie nur gewartet. Sie spannte die Muskeln an, und als er nahe genug heran war, stützte sie sich auf Ellenbogen und Unterarme, wuchtete ihren gesamten Körper in einer gewaltigen Anstrengung mit gestreckten Beinen hoch und schwenkte herum. Damit hatte er, der vorsichtshalber von der Seite auf sie zu kam, nicht gerechnet. Ihre Beine trafen die seinen, und er verlor prompt den Halt und stürzte. Nicole ließ sich wieder fallen, fuhr hoch und warf sich im Vorwärtsschwung auf Krel. Ihr Handkantenschlag betäubte ihn nicht, machte ihn aber benommen. Bevor er in der Lage war, sich wieder ernsthaft zur Wehr zu setzen, hatte sie ihm mit seinem eigenen Gürtel die Arme auf den Rücken gefesselt. Daß sein linker Arm verletzt war, interessierte sie dabei herzlich wenig. Mochte er ruhig Schmerzen empfinden - er hatte versucht, sie zu töten! Außerdem war er wohl immer noch unempfindlich.
Sie kauerte sich neben ihn, eine Hand leicht erhoben, um notfalls blitzschnell zuschlagen und ihn sicher betäuben zu können.
»So, Freundchen«, sagte sie. »Jetzt wollen wir mal im Klartext reden. Warum wolltest du mich umbringen?«
Er bäumte sich halb auf und spuckte. Er verfehlte sie, und sie drückte ihn wieder flach auf den Boden zurück. »Sprechen, nicht spucken!« forderte sie. »Also, was ist los, mein Lieber?«
Er redete wieder in der Nicole fremden Sprache. Sie
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