0375 - Die Mörder-Druidin
sobald sein Schatten Wang gefangengenommen hatte. Dann würde Leonardo zu ihm kommen und ihn befragen.
Und Wang Lee danach töten.
Der Schatten glitt lautlos aus dem Thronsaal hinaus. Die tödliche Jagd hatte begonnen.
***
Es war Wang Lee völlig klar, daß man ihn nicht ungeschoren lassen würde. Er hatte die Gepflogenheiten der Hölle lange genug kennengelernt.
Aber er war seinem eigenen Kodex treu. Deshalb hatte er sich offiziell von seinem Eid befreien lassen müssen, den er Leonardo einst leistete. Er konnte nicht einfach so verschwinden, und damit seinen Grundsätzen untreu werden. Selbst einem Dämon gegenüber war es ihm unmöglich.
So mußte er das Risiko eingehen, daß die Höllenmächte seinen Weg verfolgen konnten. Daß sie genau wußten, wohin er sich wandte.
Er mußte sie irgendwie überlisten.
Hier, in der Hölle, würden sie ihm noch nichts tun. Da trauten sie sich gegenseitig nicht auf die Zehen zu treten. Aber sobald er »draußen« war, mußte er sich in acht nehmen. Wahrscheinlich war es besser, wenn er sich vorerst Zamorra anschloß. Der Meister des Übersinnlichen würde in der Lage sein, ihn zu schützen, solange bis er selbst Methoden entwickelte, sich gegen dämonische Angriffe zu wehren.
Er mußte Zamorra finden.
Kurz dachte er an Su Ling, seine Gefährtin im Chinesenviertel von San Francisco. Es würde wohl doch noch länger dauern, als sie es beide ursprünglich geplant hatten, bis sie in Frieden zusammen leben konnten.
Mit seiner Lossagung von der Hölle hatte er nur einen winzigen Schritt getan. Aber der Mahlstrom des Todes hielt ihn immer noch in seinem Bann.
Unwillkürlich ging der Mongole schneller.
***
Zamorra tastete nach seiner Lampe. Er fand sie schließlich und schaltete sie wieder ein. Zu seiner Erleichterung war sie durch den Aufprall an der Wand nicht zerstört worden, sondern der Schalter hatte sich in die Aus-Position bewegt.
Zamorra ließ den Lichtkegel über Sara Moon gleiten. Das war sie, wie er sie kannte. Und doch wurde das Gefühl in ihm immer stärker, daß mit dieser Sara Moon etwas nicht stimmte.
Er tastete sie ab. Er suchte nach ihrem Dhyarra-Kristall, den sie bei sich zu tragen pflegte. Wenn er ihn ihr abnahm, war sie weniger gefährlich. Dann konnte sie nur noch ihre Druiden-Kraft benutzen, auf deren Benutzung sie aber eben schon einmal verzichtet hatte.
Aber er fand keinen Dhyarra. Sara Moon trug ihn nicht bei sich…
»Der nächste Punkt der Unstimmigkeiten«, brummte der Meister des Übersinnlichen vor sich hin. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Merlins entartete Tochter ihren Kristall freiwillig abgelegt hatte.
Ihm kam der Verdacht, daß es sich doch um eine Entführung gehandelt hatte und daß jemand in der Hölle Sara Moon beeinflußt hatte. Sie mußte geistig manipuliert worden sein. Hatte man ihr alle Macht, die sie besaß, genommen?
Das war eine Möglichkeit. Immerhin stand sie zwar auf der Gegenseite, aber nicht unbedingt auf der Seite der Hölle. Zamorra entsann sich, daß Sara Verbindungen zu den rätselhaften MÄCHTIGEN aus den Tiefen des Universums besaß, von denen immer noch niemand genau wußte, was sie für Kreaturen waren. Aber sie waren dämonisch und ungeheuer stark, und sie waren nicht gewillt, der Hölle einen Machtanspruch zuzugestehen. Zumindest in dieser Hinsicht gab es eine Ähnlichkeit zu den Verhaltensweisen der DYNASTIE DER EWIGEN…
»Vermutlich werde ich erst etwas erfahren, wenn sie wieder erwacht und ich sie befragen kann«, sagte Zamorra. »Aber das werde ich nicht hier tun. Dieser zur Hölle führende Gang ist mir etwas zu unsicher…«
Er wuchtete sich Sara Moon über die Schulter wie einen Mehlsack. Solange sie ohne Bewußtsein war, konnte es ihr gleichgültig sein, wie er sie transportierte. Und ihm war sie bewußtlos lieber, als daß er sie gewaltsam hinter sich her zerren mußte. Es würde noch genug Probleme geben.
Sid Amos wird sich freuen, dachte er. Amos, der mir ständig in den Ohren liegt, ich solle endlich Sara Moon aufspüren und in Merlins Burg bringen… jetzt kommen wir der Sache schon einen entscheidenden Schritt näher…
Sara Moon war ihm keine schwere Last. Zamorra war körperliche Anstrengung gewohnt. Und das Verlassen der Höllen-Nähe beflügelte seine Schritte ohnehin. Er fieberte dem Moment entgegen, wo er wieder die frische Luft am Lagerfeuer erreichte.
Plötzlich rutschte die entartete Druidin mit einem Ruck von seiner Schulter, und ihre Finger schlossen sich blitzschnell
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