0376 - Wer den »Schatten« sieht, muß sterben
Mike, den Boxer?«
»Ja.«
»Kaum. Die beiden trafen sich gelegentlich, nicht mehr. Die freundschaftlichen Beziehungen von früher waren ziemlich abgeklungen. Mike kam ab und zu zu uns. Er verdiente zwar nicht soviel im Boxgeschäft wie Tom, aber er war mit dem zufrieden, was er hatte.«
»Hat der Unbekannte Ihnen gegenüber etwas von Maskenmännern erwähnt, Mrs. Hogan?«
»Von Maskenmännern?« Ihre Frage klang sehr erstaunt.
»Ja, es gibt drei Maskierte, die sich für den Mörder von Tom interessieren.« Ihr hübsches Gesicht wurde von dem zurückscheinenden Licht der Autoscheinwerfer übergossen.
»Es handelt sich um drei Männer, die giftgrüne Masken tragen, Mrs. Hogan«, klärte ich sie auf.
»Nein, davon hat er nicht gesprochen.«
»Jetzt hören Sie mir zu«, begann ich ihr Verhaltungsmaßregeln zu erteilen, »ich werde täglich zweimal bei Ihnen anrufen. Morgens und nachmittags. Falls sich der Unbekannte wieder bei Ihnen gemeldet hat, .flechten Sie das Codewort ›Sparringspartner‹ ein. Sie können zum Beispiel sagen: ›Tom benötigt keinen Sparringspartner mehr!‹ oder etwas Ähnliches. Dann weiß ich sofort, daß der Unbekannte Kontakt mit Ihnen aufgenommen hat.«
»Und dann?«
»Dann werde ich mich bei Ihnen melden, um von Ihnen Genaueres zu erfahren. Keine Sorge, der Unbekannte wird nichts davon merken. Einverstanden?«
»Ja. Tun Sie alles, Mr. Cotton, um ihn so schnell wie möglich zu fangen.« Ihre Stimme bebte wieder vor Angst.
Ich brachte sie in die Nähe ihres Hauses und setzte sie auf einem einsamen Landweg ab. Zuvor hatten wir lange an der Stelle gewartet und uns umgesehen. Doch niemand hatte sich sehen lassen.
Ich blickte hinter ihr her, wie sie in der Dunkelheit verschwand.
Dann setzte ich dert Jaguar, dessen Lichter ich gelöscht hatte, langsam zurück und fuhr zur Hauptstraße zurück.
Ich drückte auf das Gaspedal.
***
»Donnerwetter«, sagte Phil, als ich ihn am nächsten Morgen anrief, »dann hast du ja allerhand erlebt. Und warum hast du mich nicht mitgenommen?«
»Ich konnte doch nicht ahnen, daß die harmlose Fahrt nach Springfield solch ein Ende nehmen würde, und nach Pat Hogans Anruf wollte ich keine Zeit verlieren.«
»Okay, hast es ja auch ohne mich geschafft«, meinte mein Freund. »Wer garantiert dir, daß Pat Hogan diesmal die Wahrheit gesprochen hat?«
»Na hör mal, Pat Hogan könnte als perfekte Schauspielerin fungieren, wenn sie die Szene erfunden und mir vorgespielt hätte.«
»Dieses Format hat sie doch schon zweimal bewiesen, Jerry.«
»Und warum sollte sie gelogen haben?«
»Denk an Samy Day.«
»Ja. Deshalb hatte sie einen Grund, uns in Toms Kabine anzulügen. Aber jetzt geht es doch offensichtlich um ihr Leben.«
»Bis jetzt ist Samy Day immer noch im Kreis der Verdächtigen, Jerry. Wenn er mit Pat Hogan wirklich eng befreundet ist, müßte der jungen Witwe daran gelegen sein, ihren Freund zu entlasten. Kannst du mir noch folgen, Jerry?«
»Weiter.«
»Und aus diesem Grund erfindet die schöne Frau die Geschichte von dem heiseren Unbekannten, der in Wirklichkeit gar nicht existierte. Sie erreicht damit, daß an Samy Day kein Verdacht haften bleibt. Den beiden steht der Weg zum Standesamt offen.«
»Deine Phantasie in Ehren, Phil«, konterte ich, »aber du hast die Frau in der vergangenen Nacht nicht gesehen. Das war nicht erfunden oder nur vorgespielt.«
»Na gut, bleib du bei deiner Meinung.«
***
Routinemäßig hatte ich bei Pat Hogan zweimal täglich angerufen. Nie hatte sie das Stichwort durchgegeben.
Tom Hogan war inzwischen beerdigt worden. Mr. High hatte uns noch ein paar andere Beamte zum Friedhof hinausgeschickt. Es konnte ja sein, daß der Mörder am Grab auftauchte, aber wir waren ohne Ergebnis zurückgekommen.
»Rufen Sie weiter an, Jerry«, hatte Mr. High gesagt. »Einmal muß sich der Unbekannte melden, wenn er existiert.« Mr. High hatte vorgehabt, Pat Hogan einfach in Schutzhaft zu nehmen, da er ihr Leben nicht gefährden wollte. Ich hatte das der Witwe mitgeteilt und sie noch einmal auf die Gefahr hingewiesen, doch wollte sie von Schutzhaft nichts wissen.
»Es geht um Toms Mörder und jetzt auch um mich«, hatte sie erklärt, »da möchte ich alles tun, was dazu beiträgt, Ihnen zu helfen.«
Am vierten Tag rief ich gegen fünf Uhr nachmittags bei Pat Hogan an. Die Dämmerung zog bereits herauf.
Pat Hogans Gewohnheit war es, nie den Hörer sofort aufzunehmen. Nach dem dritten Rasseln meldete sie sich endlich.
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