0378 - Aufstand der Henker
sprechen.«
»Einverstanden!«
»Nicht jetzt! Kommen Sie heute abend um acht Uhr in den Drugstore W. 32. Straße 440!«
»In Ordnung. Ich werde pünktlich sein.«
Ich ging weiter. Die Treppe mündete in eine kleine Lagerhalle, in der ein halbes Dutzend Frauen damit beschäftigt war, Apfelsinen zu verlesen, in Seidenpapier einzurollen und in Kisten zu verpacken. Charly Lickstead betrieb als Tarnung für seine dunklen Geschäfte eine Früchtegroßhandlung.
Die sechs Arbeiterinnen wurden von drei Aufsehern bewacht. Allerdings saßen diese angeblichen Aufseher in einer Ecke auf Kisten und waren in eine Pokerpartie vertieft, denn ihre eigentliche Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, daß niemand unangemeldet zu Charly Lickstead vordrang.
Ich zeigte auf die Burschen und sagte zu Tyst:
»Charly hat große Angst, daß ihm jemand ein Haar krümmen könnte.«
Der blonde Chef der Leibwache antwortete finster:
»Er hat allen Grund, Angst zu haben.«
Ich horchte auf. Marc Tyst schien seinen Chef durchaus nicht in sein Herz geschlossen zu haben. Die Unterredung heute abend konnte interessant werden.
Ich tippte am meinen Hut, verließ die Lagerhalle, sprang von der Rampe in den Hof und stutzte beim Anblick eines Rolls-Royce-Modells, das sich in dem schäbigen Hinterhof ausnahm wie ein Zylinderhut unter den Mützen von Hafenarbeitern.
Der Mann allerdings, der am Kühler des englischen Schlittens lehnte, sah aus wie ein Hafenarbeiter. Er war nur mittelgroß und nahezu so breit wie hoch. Sein Gesicht glich einem verbeulten Blecheimer, und seine trüben Augen starrten mich dumpf an.
Ich kannte den Wagen, und ich kannte den Mann. Beide gehörten David Howell.
Der Wagen diente dem dritten der drei großen Gangster New Yorks dazu, den Besitzer zu befördern, wo immer er hinwollte, und der Mann war dazu da, Howells Gegner ins Jenseits zu befördern.
Er hieß Stan Dorewsky und war der brutalste aller Killer, die zur Zeit in New York herumliefen.
Als ich auf ihn zuging, zog er den Kopf zwischen die Schulter. Noch bevor ich ihn erreichte, öffnete sich die Fronttür des Rolls-Royce. Hastiger, als es sonst seine Art war, stieg David Howell aus dem Wagen.
»Hallo, Mr. Cotton«, sagte er mit seiner näselnden Stimme. »Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen.«
»Ich auch, Howell«, antwortete ich grimmig, »aber wenn ich es mir richtig überlege, ist es eigentlich nicht weiter erstaunlich.«
Howell war ein langer, dünner Bursche, der die Fünfzig überschritten hatte. Als einziger der drei Gangster-Bosse stammte er nicht aus den Slums, sondern aus einer achtbaren, angesehenen Familie. Er hatte erstklassige Colleges besucht, aber nicht daran gedacht, eine vernünftige Laufbahn einzuschlagen. Er begann betrügerische Manipulationen an der Börse, die ihm einige tausend Dollar und vier Jahre Gefängnis brachten.
Als er entlassen wurde, engagierte er Stan Dorewsky, und von diesem Augenblick an baute sich Howell seine Gang-Organisation nach dem klassischen Muster aller großen Bandenführer auf. Wie die anderen lebte er von der Angst seiner Opfer. Und obwohl er den gebildeten, gut erzogenen Gentleman herauszukehren pflegte, war er ebenso gefährlich und brutal wie seine beiden Konkurrenten, von denen der eine jetzt im Schauhaus lag.
»Haben Sie Mr. Lickstead gesprochen?« fragte Howell und zog ein goldenes Zigarettenetui aus der Tasche, das sein Monogramm trug. Er ließ es aufschnappen und hielt es mir hin.
»Ja, ich sprach ihn«, antwortete ich und übersah die angebotenen Zigaretten. »Ich warnte ihn vor dem Versuch, sich auf Radocs Stuhl zu setzen. Mir scheint, Howell, ich kann die gleiche Warnung auch bei dir anbringen.«
Er schob das Zigarettenetui in die Tasche zurück.
»Ist Radoc tot?« fragte er.
»Willst du mir erzählen, daß du das noch nicht wußtest? Und ich dachte, du hättest dich mit Lickstead verabredet, um dich mit ihm darüber zu einigen, wer welchen Teil von Radocs Geschäften übernimmt.«
Howell verzog die dünnen Lippen zu einem maßlos höhnischen Lächeln.
»Sie irren sich, G-man«, näselte er. »Ich kam her, um Mr. Lickstead zwei Kisten Apfelsinen abzukaufen. Er hat mir einen besonders günstigen Preis zu- , gesichert. Man kann nicht genug für seine Gesundheit tun, und gerade Vita- j min C…«
»Auch Vitamin C hilft nicht gegen eine Bleivergiftung«, unterbrach ich. Howell fand keine passende Bemerkung J und sagte zu Dorewsky:
»Stan, laß Lickstead sagen, daß ich nicht länger warten
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