0378 - Aufstand der Henker
können, Rey French nicht zu begegnen. Am besten wäre es, Sie verließen New York für einige Zeit.«
»Ich werde Ihrem Rat folgen und mich in einem Vorort umsehen. Gute Nacht.«
Sie verließ die Bar. Wir sahen ihr nach, wie sie zwischen den Tischen hindurchging, gerade und erhobenen Hauptes.
»Sie ist hübsch«, sagte Phil, »und sie sieht harmlos wie ein braves College-Girl aus.«
»Ich halte sie auch für harmlos, wenn auch nicht so wie ein Schulmädchen. Sie war Radocs Freundin, aber ich glaube nicht, daß sie an seinen Verbrechen beteiligt war.«
»Bist du sicher, daß der Mann, der dich umbringen wollte, wirklich ein Mann war?« fragte er.
Ich lachte so laut, daß die auf der Tanzfläche träumenden Paare erschrocken auffuhren.
»Es war ein Mann, Phil, und zwar ein Bursche von beachtlichen Ausmaßen.«
Ein Kellner kam auf uns zu.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
»Danke, wir gehen sofort.«
Wir schickten uns an, die Bar zu verlassen. Phil steuerte einen Kurs, der ihn an der Theke vorbeiführte. Er gab dem Mixer ein Zeichen. Der Mann beugte sich zu ihm.
»Wieviel Whisky hatte die Lady, mit der wir sprachen?«
»Nur zwei, Sir! Normale Soda-Drinks mit Eis.«
»Heh, welche Sorte verkauft ihr, wenn zwei Gläser genügen, ein Mädchen unsicher in den Schuhen stehen zu lassen?«
Der Mixer grinste entzückt.
»Guter Scotch, Sir, ohne Haken und Ösen.«
»Aber die Lady war…« Phil wackelte mit der linken Hand.
Der Mixer beugte sich weiter über die Theke und grinste noch breiter.
»Sehen Sie auf Ihrem Zimmer nach, Sir. Vielleicht finden Sie dort eine vollständig leere Flasche. Als Ihre Freundin an meiner Theke strandete, machte sie ganz den Eindruck, als hätte sie sich vorher schon ein wenig die Zeit vertrieben.«
Phil schob eine Dollarnote über den Tisch, aber er sah nicht sehr zufrieden dabei aus.
»Die Auskunft war keinen Dollar wert«, stellte ich im Hinausgehen lakonisch fest.
***
Vierundzwanzig Stunden, nachdem ich James Radox gegenübergestanden hatte, saß ich wieder einem Gangster in seinem Büro gegenüber.
Sofern man die Rumpelkammer, in der Charly Lickstead hauste, als Büro bezeichnen will. Lickstead besaß keine Teppiche, und die Möbel waren nicht aus Edelholz. Bei ihm war alles aus Kistenbrettern zusammengenagelt. Und wenn James Radoc seine Zigarrenasche in einen goldenen Aschenbecher abgestreift hatte, so warf Charly Lickstead seine Zigarettenkippen in eine alte Konservendose.
Dennoch war Lickstead wahrscheinlich der einflußreichere Gangster von beiden, und jetzt, da Radoc tot war, war er es mit Sicherheit. Charlys Domäne war die Bowery, und er gehörte zu den Leuten, die sich nicht scheuten, einem Tramp zehn Cents aus der Tasche zu nehmen.
Charly Lickstead war eine Ratte, die jeden Schmutz in sich hineinfrißt und davon dick und fett wird, und genauso sah er auch aus. Er trug eine spitze Rattenvisage mit vorstehenden Zähnen und einer dünnen Nase. Um seinen feisten Körper schlampte ein Anzug herum, der so schmutzig aussah, als ob sein Träger sich damit in der Gosse gewälzt hätte.
Neben Lickstead stand kein Girl. Lickstead hatte keinen Bedarf an weiblicher Schönheit. Aber auf den Leibwächter an seiner rechten Seite konnte er ebensowenig verzichten wie James Radoc.
Neben seinem schmutzigen, fetten, ungewaschenen Boß sah Marc Tyst aus wie eine Schaufensterpuppe aus einem Geschäft für Herrenmoden. Er war glatt, rosig, blond und nicht älter als fünfundzwanzig. Auf den ersten Blick wirkte er so harmlos, daß jede Mutter ihm ihre Tochter anvertraut hätte.
Wenn man genauer hinsah, dann erkannte man einen unheimlichen Eisglanz in seinen Augen, der zur Vorsicht mahnte.
Lickstead lachte, als ich hereinkam, es war ein hohl klingendes, pfeifendes Rattenlachen.
»Du bist nicht in Festtagskleidung, G-man?« schrie er. »Sie haben dir deinen liebsten Feind weggeputzt, und du hältst es nicht einmal für notwendig, einen schwarzen Anzug anzuziehen?«
Mit einigem Widerwillen ließ ich mich äuf einen wackligen Stuhl nieder.
»Ich sehe, du weißt Bescheid.«
»Wer hat es ihm besorgt?« fragte Lickstead.
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Rey French konnte die Bevormundungen seines Chefs nicht mehr ertragen.«
Nickstead sog die Luft durch die spitze Nase. Wieder sah es aus, als schnüffele eine Ratte.
»Willst du behaupten, Radoc sei von seinem eigenen Mann umgebracht worden?«
»Genau! Sein eigener Henker war’s.«
Der Gang-Chef warf einen Blick auf
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