038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
es nicht glauben. In Südamerika gibt es keine Pygmäen.«
»Das glaubten wir auch alle«, meinte Elliot. Er nahm den Hut ab und strich sich flüchtig durchs Haar. »Aber ich habe sie selbst gesehen. Sind kleine Burschen. Keiner größer als ein Meter fünfzig. Sehen nicht besonders hübsch aus. Sie stecken sich Knochen und Ringe durch die Nasenscheidewand und die Ohren und beschmieren sich über und über mit Erdfarben. Sind unangenehme kleine Kerle.«
Dorian setzte sich. »Weißt du, in welche Richtung Jeff gegangen ist?«
»Ja, das wissen wir«, sagte Elliot. »Aber das hilft uns nicht viel weiter. Das Gebiet ist einfach zu riesig. Ich halte nicht viel von einer weiteren Suchexpedition.«
»Es wird uns aber nichts anderes übrigbleiben«, stellte Dorian fest. »Deshalb bin ich ja hergekommen.«
»Und wen willst du mitnehmen?« fragte Elliot und beugte sich vor. »Die fünf Jet-Set-Typen taugen nicht viel. Mit denen ist nichts los.«
»Und was ist mit dir, Elliot?«
Die Kiefer des Texaners arbeiteten stärker. »Mit mir kannst du rechnen. Wahrscheinlich wird auch Jean Daponde mitmachen. Ebenso Sacheen, aber ich bin dagegen, daß sie mitkommt. Frauen haben meiner Meinung nach bei so einer Suchexpedition nichts verloren. Sie sind nur ein Hemmschuh. Immer und überall muß man auf sie Rücksicht nehmen.«
»Von den Playboy-Typen würde keiner mitgehen?«
»Ach, das will ich nicht sagen. Aber ich weiß nicht, ob es sehr sinnvoll ist, sie mitzunehmen.«
»Ich werde mal mit ihnen sprechen.«
»In einer Stunde gibt es Abendessen. Da kommen alle zusammen und du kannst mit ihnen reden.«
Elliot trank sein Glas leer, griff nach seinem Hut, winkte Dorian flüchtig zu und verließ das Zimmer.
Dorian ging im Raum auf und ab. Es war angenehm kühl. Die Klimaanlage lief auf vollen Touren. Er schnallte sich den Gürtel mit der Pistole um, holte die Waffe heraus und lud sie. Dann trat er aus dem Haus und blickte sich um.
Das Flugzeug war noch nicht gestartet. Kein Mensch war zu sehen. Er ging einmal um die drei Bungalows herum und schlenderte dann zum Urwald.
Vor vierhundert Jahren war er in dieser Gegend gewesen. Damals war es aber nicht so leger zugegangen, da hatten fürchterliche Anstrengungen hinter ihm gelegen. Und immer wieder drängte sich bei Dorian der Gedanke auf, ob die Ereignisse vor mehr als vierhundert Jahren etwas mit der Gegenwart zu tun hatten. Damals hatte er sich auch auf die Suche nach dem geheimnisvollen El Dorado begeben und unzählige Entbehrungen auf sich genommen. Er versuchte sich an die damaligen Ereignisse zu erinnern, doch alles war viel zu bruchstückhaft. In seiner Erinnerung klafften Lücken.
Er betrat den Urwald. Nach fünfzig Schritten umfing ihn Dämmerlicht. Hier schien sich das pflanzliche Leben völlig planlos abzuspielen. Laubabwurf, Knospen und Blühen – alles geschah zur gleichen Zeit. Die Hitze und das viele Wasser ließen die Vegetation ununterbrochen wuchern. Die Millionen Bäume kämpften um ihren Anteil am Licht. Manche wurden unglaublich hoch und breiteten ihr Laub oben wie einen Schirm aus. Die meisten Stämme waren völlig kahl, nur von unzähligen Schlingpflanzen bedeckt. Auf dem Boden lag eine dichte Schicht Laub, in dem allerlei kleines Getier hauste.
Nach weiteren fünfzig Schritten hatte er den Fluß erreicht. Er floß träge dahin. Irgendwo kreischten Brüllaffen, und Insekten setzten sich auf sein Gesicht.
Dorian starrte über den Fluß, dann kehrte er zum Lager zurück. Seine Kleider dampften von der feuchten Luft. Er war froh, als er in die Kühle seines Zimmers zurückgekehrt war. Es würde einige Zeit dauern, bis er sich an das Klima gewöhnt hatte.
Das Aufheulen der Flugzeugmotoren trieb den Dämonenkiller aus seinem Zimmer. Er stellte sich neben Sacheen und Sancho Parras, der beschlossen hatte, sich an der Suche nach seinem Brötchengeber zu beteiligen.
Der Pilot winkte ihnen zu, und das Flugzeug setzte sich langsam in Bewegung. Es fuhr über die Startbahn, wurde rasch schneller, und der Pilot zog es steil in den wolkenlosen Himmel. Das Flugzeug drehte noch eine Ehrenrunde, dann verschwand es.
»In zehn Minuten gibt es Abendessen«, sagte Sacheen.
»Ich will mit allen sprechen«, sagte der Dämonenkiller. »Ich möchte morgen mit der Suche nach Jeff beginnen.«
»Ich komme mit«, erklärte Sacheen. »Ich weiß, was du denkst, Dorian, aber …«
»Darüber sprechen wir später. Sie kommen doch mit, Sancho?«
Sancho Parras nickte eifrig.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher