038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
Deck. Ich spürte den heißen Atem des Scheusals über meine Wangen gleiten. Ein fauliger Geruch entströmte seinem Maul. Die scharfen Zähne schnappten nach meiner Kehle. Im letzten Augenblick konnte ich den Kopf zur Seite werfen, und die Zähne verbissen sich in meiner Schulter. Ich vergrub meine rechte Hand im borstigen Haar des Monsters und versuchte den häßlichen Schädel zurückzureißen. Es biß stärker zu. Meine Schulter wurde gefühllos.
»Hilf mir, Hernand!« keuchte ich.
Hernand suchte nach meinem Dolch. Endlich hatte er ihn gefunden. Ich sah, wie er hinter dem Monster auftauchte und den Dolch zum Stoß erhob. Er stach zu, und ein Zittern durchlief den gewaltigen Körper des Monsters. Es hob den Kopf, und da stach Hernand nochmals zu. Diesmal hatte er gut getroffen. Der Dolch bohrte sich zwischen die Rippen des unmenschlichen Geschöpfs und traf das Herz. Ich stieß das sterbende Ungetüm zur Seite und stand schwankend auf.
»Danke, Hernand«, sagte ich.
»Faß mit an, Juan!« sagte er. »Wir werfen das Biest ins Meer.«
Er packte das tote Scheusal an den Beinen und ich an den Handgelenken. Mit einem Schwung warfen wir das Monster über die Reling. Von den anderen Bestien war im Augenblick nichts zu sehen.
Wir rannten in die Kombüse. Es war dunkel. Vorsichtig tasteten wir uns weiter. Ich hatte einige Male Küchendienst gehabt und kannte mich recht gut aus.
»Ich gehe voraus«, sagte ich leise.
Hernand klammerte sich an mir fest. Meine Schulter schmerzte höllisch. Ich konnte meinen linken Arm kaum bewegen. Endlich fand ich den Zugang zum Lebensmittellager. Auch hier war es völlig dunkel. Ich stieß gegen ein Faß mit gepökeltem Fleisch und holte einige Stücke aus der Lake, dann nahm ich einen Laib Brot an mich und ging weiter. Immer wieder stieß ich mir die Schienbeine an, doch dann hatten wir den großen Lagerraum endlich erreicht, in dem sich Kisten mit Degen, Arkebusen und Rüstungen befanden. Hinter einigen Kisten versteckten wir uns.
Doch niemand suchte uns. Ich vermutete, daß Aguilar annahm, daß wir zusammen mit seinem Helfer bei dem Sturm über Bord gefallen wären. Das konnte unsere Rettung sein.
Wir wagten einige Stunden lang nicht zu sprechen. Das Schiff schwankte noch immer. Die Kisten rutschten hin und her.
Ich knabberte an einem Stück Pökelfleisch und aß ein Stück Brot. Dann bekam ich Durst. Wir hatten kein Wasser.
Nach einiger Zeit hörten wir Stimmen. Sie kamen aus dem Lebensmittellager, dann war es wieder still.
Meine Schulter schmerzte noch immer. Ich schlüpfte aus meiner Jacke und zog das Hemd aus. Notdürftig reinigte ich die Wunde. Ich hoffte, daß ich kein Fieber bekommen würde.
»Was nun?« fragte Hernand.
»Wir müssen warten«, sagte ich. »Ich bin sicher, daß Aguilar den Großteil der Besatzung getötet hat. Er ist ein Dämon.«
Hernand antwortete nicht, und ich hatte auch gar keine Lust auf ein Gespräch. Ich versuchte zu schlafen, was mir aber nicht gelingen wollte. Hernand ging es da besser. Bald hörte ich sein lautes Schnarchen.
Ich legte mich hin und hing meinen Gedanken nach. Nach meinem schrecklichen Erlebnis mit den Dämonen-Drillingen war das kleine Dorf Haßfurt vom Erdboden verschwunden. Die Inquisition schaltete sich ein. Dr. Faustus ließ man in Ruhe, doch man versuchte sich an mir schadlos zu halten. Mir war keine andere Wahl geblieben: Ich mußte fliehen. Ich fuhr nach Spanien, doch dort waren die Zustände nicht besser. Irgend jemand verriet mich an die Inquisition, und ich mußte all meine Habseligkeiten zurücklassen.
Ganz Spanien war im Goldrausch. Cortez' Name war in aller Munde. Überall wurde von der Neuen Welt und ihren unermeßlichen Schätzen gesprochen. Täglich stachen einige Schiffe in See, die Nachschub zu den spanischen Kolonien nach Hispaniola und Panama brachten.
Mein Spanisch war ausgezeichnet, ich hatte die Erinnerung an eines meiner früheren Leben zurückbekommen. Damals hieß ich Juan de Tabera. Ich nahm ganz einfach seinen Namen an. So hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, auf ein Schiff zu kommen. Leute wurden immer gebraucht. Mir war der Boden in Europa zu heiß geworden und mich reizte die Neue Welt. Außerdem wollte ich nicht mehr mit Dämonen und ähnlichen Nachtgeschöpfen zusammentreffen.
Doch ich hatte mich getäuscht. Sie verfolgten mich noch immer. Sogar hier auf dem Schiff. Es schien, als hätte ich die Fähigkeit, überall auf Dämonen zu stoßen. Der Kampf gegen die Geschöpfe des Teufels schien
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