038 - Verbotene Sehnsucht
setzte Mr. Hartley seine Tasse ab. „Mademoiselle Molyneux, ich glaube nicht ..."
Die alte Dame nahm ihn ins Visier. „Wünschen Sie, dass man Ihre Schwester auslacht? Möchten Sie, dass die anderen jungen Damen hinter ihren Fächern über sie tuscheln? Dass die jungen Herren sich weigern, mit ihr zu tanzen? Ist es das, was Sie wollen?"
„Nein, natürlich nicht", sagte Mr. Hartley ruhig. „Was stimmt denn nicht mit Rebeccas Kleid?"
„Gar nichts." Emeline stellte nun ihrerseits ihre Tasse beiseite. „Gar nichts, wenn Miss Hartley darin einen Besuch im Park oder eine Fahrt durch London machen möchte. Vermutlich genügt ihr Kleid nach kolonialen Maßstäben auch für eine Abendgesellschaft in Boston, aber für die besten Kreise des Londoner ton ..."
„Braucht sie sehr elegante Kleider!", fuhr Tante Cristelle fort.
„Und ebenso elegante Handschuhe, Schaltücher, Hüte und Schuhe." Sie beugte sich vor und stieß nachdrücklich mit dem Stock auf den Boden. „Die Schuhe sind am wichtigsten."
Besorgt blickte Miss Hartley auf ihr unzureichendes Schuhwerk, doch Mr. Hartley schien eher belustigt. „Ich verstehe."
Verschlagen schaute Tante Cristelle ihn an. „Und das kostet natürlich so einiges."
Sie fügte nicht hinzu, dass er auch für Emelines Garderobe würde aufkommen müssen, da gemeinhin bekannt war, dass Emeline auf diese Weise für Zeit und Aufwand entschädigt würde.
Emeline wartete darauf, dass Mr. Hartley Einspruch erheben würde. Höchst unwahrscheinlich, dass ihm bewusst war, mit welchen Kosten die Saison eines jungen Mädchens einherging. Die meisten Familien sparten jahrelang auf dieses Ereignis, manche verschuldeten sich gar, um ihre Tochter standesgemäß auszustatten. In Boston mochte er ein reicher Mann sein, doch was war sein Vermögen hier in London wert? Würde er sich eine solch unerwartete Ausgabe leisten können? Seltsamerweise verspürte sie leise Enttäuschung bei der Vorstellung, dass er das ganze Unterfangen würde aufgeben müssen.
Aber Mr. Hartley nickte nur versonnen und biss seelenruhig in sein Rosinenbrötchen. Es war Miss Hartley, die heftige Bedenken anmeldete. „Oh, Samuel, nicht doch! Das wird viel zu teuer! Ich brauche keine neue Garderobe, wirklich nicht."
Schön gesprochen. Die Schwester bot dem Bruder einen ehrenhaften Ausweg.
Fragend schaute Emeline Mr. Hartley an. Aus den Augenwinkeln sah sie zudem, dass Daniel die anderweitige Abgelenktheit der Erwachsenen nutzte, um sich ein weiteres Rosinenbrötchen zu stibitzen.
Mr. Hartley nahm erst noch einen tiefen Schluck Tee, ehe er etwas sagte. „Wie es aussieht, brauchst du eine neue Garderobe, Rebecca. Wenn Lady Emeline das sagt, sollten wir auf ihren Rat hören."
„Aber die Kosten!" Das Mädchen wirkte ernstlich besorgt.
Der Bruder keineswegs. „Mach dir deswegen keine Sorgen. Das verkrafte ich schon."
Dann wandte er sich an Emeline. „Also -wann wollen wir einkaufen gehen, Mylady?"
„Sie brauchen uns nicht zu begleiten", versicherte ihm Emeline. „Wenn Sie uns einfach ein Akkreditiv schrieben, dass Sie die Kosten ..."
„Aber es wäre mir ein Vergnügen, die Damen zu begleiten", unterbrach er sie süffisant. „Gewiss wollen Sie mir eine so einfache Freude nicht vorenthalten?"
Emeline presste die Lippen zusammen. Er würde für Ablenkung sorgen und sie unnötig aufhalten, aber sie konnte ihm sein Ansinnen kaum ausschlagen. Zumindest nicht auf höfliche Weise. Sie lächelte knapp. „Natürlich wäre es auch uns ein Vergnügen, wenn Sie uns begleiteten."
Ohne auch nur die Miene zu verziehen, ließ er ein zufriedenes Grinsen erkennen, das sich einzig in den feinen Falten zeigte, die sich zu beiden Seiten seines Mundes vertieften. „Dann frage ich noch einmal: Wann wollen wir auf unsere kleine Expedition gehen?"
„Morgen", erwiderte Emeline spitz.
Ein Lächeln spielte um seine sinnlichen Lippen. „Gut."
Sie musterte ihn mit Argwohn. Entweder war Mr. Hartley ein ausgemachter Narr, oder er war reicher als König Midas höchstselbst.
Nachts schrak er schweißüberströmt aus einem Albtraum auf. Sam verharrte reglos und starrte angestrengt in die Dunkelheit, bis sein heftig pochendes Herz sich beruhigt hatte. Verdammt, schon wieder! Das Feuer war erloschen und das Zimmer kalt. Er hatte die Mädchen ausdrücklich angewiesen, genügend Holz aufzulegen, doch sie schienen es einfach nicht zu lernen. Morgens glomm meist nur noch eine schwache Glut. Heute Nacht war das Feuer ganz erloschen.
Er schwang
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