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038 - Verbotene Sehnsucht

Titel: 038 - Verbotene Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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hatte.
    Irgendwie war das seltsam. Elegante Damen rochen gewöhnlich nach Moschus oder Patschuli. Mit Grauen erinnerte er sich daran, wie oft die intensive Duftnote - oder vielmehr der Gestank - feiner Damen ihn in Gesellschaft überwältigt hatte. Ihr Parfüm hing wie eine dichte Nebelwolke über ihnen, und er hätte nichts lieber getan, als sich Mund und Nase zuzuhalten. Aber Lady Emeline roch fein nach Zitronenmelisse, dem Duft des Gartens seiner Mutter. Dieser Widerspruch faszinierte ihn.
    Er überquerte eine weitere Kreuzung und sprang über eine widerlich stinkende Pfütze hinweg. Im Eingang einer dunklen Gasse sah er einen Mann stehen. Ob er dort Schutz suchte oder jemandem auflauerte, war schwer zu sagen, aber ehe dem anderen Zeit blieb, auf sein plötzliches Auftauchen zu reagieren, war Sam auch schon vorbeigezogen. Er blickte kurz über die Schulter zurück und sah, wie die finstere Gestalt ihm hinterherschaute. Sam grinste und legte an Tempo zu. Lautlos berührten seine Mokassins den Boden, schwebten fast darüber. Zu dieser Nachtstunde mochte er die Stadt beinah. Die Straßen lagen verlassen da, und man konnte sich frei bewegen, ohne stets zu fürchten, jemanden anzurempeln. Es gab Platz. Er spürte, wie seine Muskeln sich langsam durchwärmten und lösten.
    Das Haus neben jenem von Lady Emeline hatte er mit Bedacht gewählt. Er hatte wissen wollen, wie es Reynauds Schwester ergangen war. Das war das Mindeste, das er für den Offizier tun konnte, den er so schmählich im Stich gelassen hatte. Als er dann herausfand, dass besagte Dame junge Mädchen in die Gesellschaft einführte, lag es nahe, sie für Rebecca zu engagieren. Natürlich würde er ihr verschweigen, was der wahre Grund für sein Interesse an der Londoner Gesellschaft war, doch das sollte ihn nicht kümmern. Zumindest nicht, bis er die Dame persönlich kennengelernt hatte.
    Lady Emeline war ganz anders als erwartet. Ohne groß darüber nachzudenken, hatte er sie sich wie ihren Bruder vorgestellt: von ebenso hochgewachsener Gestalt und mit derselben aristokratischen Haltung. Die aristokratische Haltung hatte sie, aber es fiel ihm schwer, nicht belustigt zu lächeln, wenn sie sich alle Mühe gab, verächtlich auf ihn hinabzuschauen, obwohl sie ihm kaum bis zur Schulter reichte.
    Dafür war ihre Figur wohlgerundet - gerade richtig, dass es einen Mann danach verlangte, mit beiden Händen ihren Hintern zu umfassen und ihren warmen Leib zu spüren. Ihre Haare waren nahezu schwarz und ihre Augen nicht minder dunkel. Mit ihren rosigen Wangen und ihrer schnippischen Stimme hätte sie auch als aufreizendes irisches Dienstmädchen durchgehen können, stets zu einem Flirt bereit.
    Nur dass sie leider keines war.
    Sam fluchte leise und blieb stehen. Er stützte die Hände auf die Knie und beugte sich vor, um wieder zu Atem zu kommen. Lady Emeline mochte ja aussehen wie ein irisches Dienstmädchen, aber in ihren eleganten Kleidern und mit dem glasklaren, schneidenden Tonfall würde niemand sie ernstlich für eines halten - nicht einmal ein ungehobelter, unkultivierter Hinterwäldler aus der amerikanischen Wildnis. Mit seinem Geld konnte er sich vieles kaufen, aber eine Frau aus den besten Kreisen des englischen Adels gehörte nicht dazu.
    Ein kurzer Blick gen Himmel zeigte, dass der Mond bereits unterging. Zeit für den Heimweg. Sam sah sich um. Kleine Läden mit weit überhängenden Obergeschossen säumten die schmale Straße. In diesem Teil Londons war er nie zuvor gewesen, aber das sollte ihn nicht davon abhalten, wieder zurückzufinden. Langsam lief er wieder los. Der Rückweg war immer das Schlimmste, weil seine anfängliche Frische und Energie verbraucht waren. Jetzt ging sein Atem mühsam, die Muskeln begannen zu schmerzen. Alte Wunden machten sich bemerkbar und pochten bei jedem Schritt. Nie sollst du vergessen, stöhnten seine Narben, nie sollst du vergessen, wo der Tomahawk in dein Fleisch gedrungen ist, wo die Kugel sich bis zum Knochen eingebohrt hat.
    Vergiss nie, dass du für immer gezeichnet bist, der Überlebende, einer der Lebenden, vielleicht der Letzte, der noch lebte und Zeugnis geben konnte.

    Seinen Schmerzen und Erinnerungen zum Trotz rannte Sam weiter. Das war der Punkt, an dem sich jene, die dennoch weitermachten, von denen schieden, die am Wegesrand liegen blieben. Die Kunst bestand darin, den Schmerz zuzulassen. Ihn anzunehmen. Schmerz hielt einen wach. Schmerz war ein Zeichen dafür, dass man noch lebte.
    Er hätte nicht sagen

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