038 - Verbotene Sehnsucht
während oder kurz nach Spinner's Falls inThorntons Rolle geschlüpft."
„Haben Sie dafür Beweise?"
„Dafür, dass ein Soldat, den wir vor sechs Jahren am anderen Ende der Welt kannten, sich als ein anderer, vermutlich toter Soldat ausgibt? Nein, habe ich nicht.
Er dürfte alles beseitigt haben, was es an Beweisen gab."
O'Hare regte sich unruhig neben Sam. Der junge Mann hatte kein Wort gesagt, seit sie das Haus so überstürzt verlassen hatten, doch er sah sichtlich besorgt aus. Die Kutsche rollte langsam aus und blieb stehen. Von draußen kam Geschrei.
Wahrscheinlich blockierte wieder irgendwer die Straße.
Sam musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht laut ans Kutschendach zu hämmern. Stattdessen wandte er sich an O'Hare und klärte ihn kurz auf. „Es gab in unserem Regiment zwei rothaarige Soldaten, der eine war Thornton, der andere MacDonald. Niemand schenkte den beiden groß Beachtung, bis MacDonald in Ketten gelegt und vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollte."
„Was hatte er getan?", wollte der Diener wissen.
Sam schaute Vale an.
Der schürzte die Lippen, ehe er knapp erwiderte: „Eine Frau vergewaltigt und umgebracht."
O'Hare erbleichte.
„Dass MacDonald sich in dem Durcheinander nach Spinner's Falls als Thornton hat ausgeben können, kann ich noch nachvollziehen, aber was war nach seiner Rückkehr nach England?", wandte der Viscount ein. „Thornton hatte doch gewiss Familie."
„Eine Frau." Sam schüttelte den Kopf. „Und die starb bald nach seiner Heimkehr."
„Ah." Vale nickte zustimmend.
„Aber was hat er jetzt mit den beiden Damen vor?", platzte O'Hare heraus.
„Das weiß ich nicht", murmelte Sam. Ob Thornton verrückt war? Wenn seine Vermutung richtig war, hatte der Mann bislang schon zwei Frauen auf dem Gewissen. Was würde ein solcher Mensch mit den Frauen des Mannes machen, den er für seinen größten Feind hielt?
„Erpressung", sagte Vale. „Indem er Rebecca und Emeline als Geiseln hält, hofft er vielleicht, Sie zum Schweigen zu bringen, Hartley."
Bei dem bloßen Gedanken musste Sam die Augen schließen und die Stimmen verdrängen, die ihn zu unbedachter Aktion statt zu vernünftigem Handeln anhielten.
„So dumm ist Thornton nicht."
Vale tat es mit einem Achselzucken ab. „Selbst der Klügste kann in Panik geraten."
Und in Panik würde ein Mann wie Thornton töten.
„Wie weit ist es noch?", fragte Sam.
Nun sah auch Jasper angestrengt aus dem Fenster. „Bis Wap-ping? Noch ein gutes Stück, hinter dem Tower."
Sam holte tief Luft. Sie fuhren noch immer durch den eleganten Westen Londons.
Bis zum Tower waren es eine Meile oder mehr, und die Kutsche kam nicht eben flott voran.
„Mir ist gerade etwas eingefallen", murmelte Jasper.
Sam schaute ihn an.
Vale war auf einmal ganz blass geworden. „An dem Tag, als wir Thornton in Ihrem Garten angetroffen hatten, hat er sich doch danach beim Tee gebrüstet, demnächst eine große Warenlieferung für die britische Armee zu verschiffen."
„Wohin sollte die gehen?"
Der Viscount schluckte schwer, ehe er antwortete. „Nach Indien."
Sam blieb schier das Herz stehen. Wenn Thornton Emeline und Rebecca auf ein Schiff verschleppte, das nach Indien fuhr ...
Die Kutsche fuhr schon wieder langsamer und blieb schließlich ganz stehen. Sam schaute aus dem Fenster. Mitten auf der Straße stand ein Brauereikarren, dessen Achse gebrochen war. Ohne zu zögern, stieß Sam den Kutschenschlag auf.
„Wo wollen Sie hin?", rief Vale.
„Zu Fuß bin ich schneller", erwiderte Sam. „Sie fahren beide weiter. Vielleicht holen Sie mich ja ein."
Und damit sprang er aus dem Wagen und rannte los.
19. KAPITEL
Als sie Eisenherzens weißglühendes Herz sah, schrie Prinzessin Sonnentrost in tiefer Verzweiflung auf. Sein Leid war zu schrecklich, als dass sie es länger ertragen könnte. Sie lief zu ihm und schüttete einen Eimer Wasser über ihn, um seine Qual zu lindern. Aber, ach, wenngleich die Flammen erloschen, so ist doch gemeinhin bekannt, was mit Metall geschieht, das jäh abkühlt. Eisenherzens Herz brach mit einem lauten KNACKS entzwei...
Eisenherz
Der Pistolenlauf drückte sich unerbittlich zwischen Rebeccas Rippen und wich auch dann nicht einen Deut, wenn die Kutsche rumpelnd und schlingernd in Kurven fuhr.
Emeline biss sich auf die Lippe. Sie saß zwischen zwei bulligen Gestalten eingekeilt, die Mr. Thorntons Handlanger waren. Erst als sie in die Kutsche gestiegen waren, hatten sie und Rebecca die beiden zu
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