038 - Verbotene Sehnsucht
nicht ein wenig in der Küche aus und trinken einen Tee?"
Harris schien von dieser Wohltat wenig erfreut, wusste indes, dass sie gut daran täte, ihrer Herrin nicht zu widersprechen. Wortlos legte sie die Kleider beiseite, die sie gerade hatte einpacken wollen, marschierte aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Emeline ging zum Bett hinüber und schob zunächst einige Unterröcke zur Seite, ehe sie Platz fand, sich zu setzen. Den Rücken an das wuchtige Kopfteil gelehnt, streckte sie die Beine lang aus und klopfte neben sich aufs Bett. „Komm mal her."
Wieselflink kam Daniel angekrabbelt. „Ich will nicht, dass du gehst!"
Zart nach Kleine-Jungen-Schweiß duftend, drängelte er sich an sie und bohrte ihr seine knubbeligen Knie in die Hüften.
Sie strich ihm über die blonden Locken. „Ich weiß, mein Liebling. So lang ist es doch aber gar nicht, und ich werde dir auch jeden Tag schreiben."
Noch mehr stummes Gedrängel. Sein Gesicht hatte er an ihrer Brust vergraben.
„Tante Cristelle bleibt bei dir", flüsterte Emeline ihm zu. „Während ich weg bin, bekommst du also bestimmt kein einziges Rosinenbrötchen, keine Süßigkeiten, keinen Apfelkuchen. Wenn ich wiederkomme, wirst du halb verhungert und so ausgezehrt sein, dass ich mich fragen werde, wer wohl dieser arme, arme Junge ist, der so schrecklich darben musste."
Ersticktes Kichern erklang an ihrer Seite, bis Daniel schließlich aufsah. Seine blitzblauen Augen funkelten. „Stimmt doch gar nicht! Die Tante gibt mir immer was Süßes."
Emeline zeigte sich entsetzt. „Wirklich? Zu mir ist sie immer sehr streng."
„Zu mir nicht. Sie wird mich mästen, und wenn du zurückkommst, bin ich so fett." Er blies die Backen auf, um ihr zu zeigen, wie fett.
Sie musste lachen.
„Und zu Mr. Hartley kann ich auch gehen", sagte er triumphierend.
Emeline blinzelte verdutzt. „Tut mir leid, Liebling, aber Mr. Hartley und seine Schwester fahren mit auf die Hausgesellschaft."
Schmollend schob ihr Sohn die Unterlippe vor.
„Hast du Mr. Hartley denn in letzter Zeit oft gesehen?"
Er warf ihr einen verstohlenen Blick zu. „Wenn er im Garten ist, spreche ich über die Mauer mit ihm. Manchmal klettere ich auch rüber und besuche ich ihn. Aber ich störe ihn nicht, ganz bestimmt nicht."
Letzteres wagte Emeline zu bezweifeln. Im Augenblick jedoch beschäftigte sie eher der Gedanke, dass Daniel und Samuel sich ohne ihr Wissen angefreundet zu haben schienen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Der kleine Kobold begann indes zu quengeln und riss sie aus ihren Gedanken. „Singst du mir mein Lied vor?", bat er kleinlaut.
Sie strich ihm übers Haar und sang ihm „Billy Boy" vor, wobei sie den Namen in Danny änderte, wie sie es schon immer getan hatte, seit er auf der Welt war.
Oh, where have you been,
Danny Boy, Danny Boy?
Oh, where have you been,
Charming Danny?
Und während sie so sang, überlegte Emeline, was die kommenden zwei Wochen wohl bringen mochten.
Die gemietete Kutsche war längst nicht so gut gefedert wie Lady Emelines Wagen, und Sam begann schon zu bereuen, dass er zugesagt hatte, mit Rebecca zu fahren, statt sich einfach noch ein weiteres Pferd zu mieten und die Strecke im Sattel zurückzulegen. Aber da er und Becca in der Woche nach dem verhängnisvollen Westerton-Ball kaum mehr miteinander geredet hatten, hatte er gehofft, dass es das Eis brechen würde, wenn sie gezwungen wären, einige Zeit zusammen zu verbringen.
Bislang war noch nichts davon zu merken.
Rebecca saß ihm gegenüber und starrte stur aus dem Fenster, als böten Hecken und Felder den aufregendsten Ausblick, den sie je gesehen hatte. Er betrachtete sie. Ihr Profil war keineswegs klassisch zu nennen, aber ihm gefiel es. Manchmal, wenn er sie nur flüchtig von der Seite ansah, erinnerte sie ihn ein bisschen an ihrer beider Mutter.
Sam räusperte sich. „Wenn ich richtig informiert bin, wird es auch einen Ball geben."
Becca wandte sich um und sah ihn irritiert an. „Wie bitte?"
„Ich sagte, es wird auch einen Ball geben. Bei der Hausgesellschaft."
„Oh, wirklich?" Besonders begeistert schien sie nicht zu sein.
Er hätte gedacht, dass sie sich freuen würde. „Tut mir leid, dass ich dir den letzten verdorben habe."
Sie atmete so vernehmlich aus, als wäre sie mit ihrer Geduld am Ende. „Warum hast du mir nichts davon erzählt, Samuel?"
Im ersten Augenblick wusste er überhaupt nicht, was sie meinte. Verstört sah er sie an. Dann überkam ihn das
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