038 - Verbotene Sehnsucht
hochgewachsener Mann in mittleren Jahren, mit Stirnglatze und meist berüchtigt schlechter Laune.
„Würden Sie ein paar Schritte mit mir gehen?", vernahm sie Samuels tiefe Stimme neben sich.
Wenig überrascht wandte Emeline sich um. Sie hatte es gewusst, ohne zu sehen, dass er zu ihr kam. Seltsam, aber irgendwie war sie sich stets seiner Bewegungen bewusst. „Ich dachte, Sie wären noch wütend auf mich, Mr. Hartley."
Ein anderer Mann würde wohl galant ausgewichen sein, aber Samuel ging die Sache direkt an. „Weniger wütend als enttäuscht darüber, dass Sie beabsichtigten, der Vernunft und nicht der Leidenschaft wegen zu heiraten."
„Dann verstehe ich nicht, weshalb Sie mit mir spazieren gehen möchten, wenn meine Wahl Sie doch so brüskiert."
Seit seiner Konfrontation mit Jasper vor über einer Woche und dem verheerenden Kuss danach war dies die erste Gelegenheit für sie, unter vier Augen miteinander zu sprechen. Sie sah kurz zu Jasper hinüber. Doch ihr Verlobter war gerade dabei, eine weitere seiner lustigen Geschichten zum Besten zu geben, und schien sie gar nicht wahrzunehmen.
Samuel beugte sich zu ihr herab. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie es verstehen würden."
„Selbst wenn ich es verstünde, mag ich nicht mit einem Mann spazieren gehen, der sich nicht hinreichend beherrschen kann."
Suchend blickte er ihr in die Augen, und wenngleich er sich der anderen Gäste wegen ein Lächeln abrang, wusste sie doch, dass er alles andere als belustigt war.
„Fangen Sie nicht schon wieder an zu streiten, und lassen Sie uns gehen."
Just in diesem Augenblick wandte Lady Hasselthorpe sich ihnen zu. Aus unerfindlichen Gründen trug ihre Gastgeberin für die kleine Landpartie ausufernd breite, mit orangefarbenem und lavendelblauem Satin drapierte Paniers, wie sie unpraktischer nicht sein konnten. Das modische Rockwerk schwankte bedenklich, und der Satin schleifte im Gras, als sie nun auf sie zuhielt.
„Lady Emeline, bitte versprechen Sie mir, nicht allzu enttäuscht von mir zu sein. Ich kann mir auch nicht erklären, was mit dem Wein geschehen ist. Sowie wir zurück sind, sollte ich Mrs. Leaping entlassen. Nur ...", sie rang die Hände in sehr aparter, doch hoffnungslos nutzloser Weise, „... nur weiß ich wirklich nicht, wo ich eine neue Haushälterin finden sollte. Gutes Personal ist hier draußen so schwer zu bekommen."
„Eine gute Haushälterin zu finden ist nie ganz leicht", meinte Emeline verständnisvoll.
„Und jetzt steht diese Frau da auch noch ganz allein herum." Lady Hasselthorpe deutete irritiert auf eine umwerfend gut aussehende Blondine in einem grünen Kleid, welches ihren beachtlichen Busen bestens zur Geltung brachte. „Sie ist eine gute Freundin des Dukes, wenn Sie wissen, was ich meine. Er hat darauf bestanden, dass wir sie einladen, aber natürlich spricht keine der anderen Damen mit ihr." Lady Hasselthorpe runzelte besorgt die Stirn. „Und noch dazu kein Wein! Oh, was soll ich nur tun?"
„Sollen wir mal nachsehen gehen, wo der Wein bleibt?", erbot sich Samuel mit ernster Miene, ehe Emeline überhaupt zu Wort, kam.
„Oh, würden Sie das für mich tun, Mr. Hartley, Lady Emeline? Ich wäre Ihnen ja so dankbar!" Lady Hasselthorpe ließ ihren flüchtigen Blick schweifen und seufzte. „Wie es aussieht, werde wohl ich mit Mrs. Fitzwilliam reden müssen. Ist das nicht furchtbar?"
„In der Tat, Mylady." Samuel verneigte sich. „Derweil werden wir uns auf die Suche nach dem Wein begeben. Lady Emeline?" Er reichte ihr seinen Arm.
Womit es unmöglich war, sein Angebot auszuschlagen.
„Gewiss." Lächelnd legte Emeline die Fingerspitzen in die Armbeuge dieses unverschämten Mannes und war sich mal wieder viel zu sehr der Wärme bewusst, die sein Körper ausstrahlte. Blieb nur zu hoffen, dass man ihr die Hitze nicht noch am eigenen Gesicht ansah.
Als sie gemächlich davonschlenderten, passte er seine weit ausholenden Schritte den ihren an, und bald hatten sie die anderen hinter sich gelassen. Sie hatte angenommen, dass er sofort ein Gespräch beginnen würde, doch er blieb still.
Verstohlen sah sie ihn aus den Augenwinkeln an. Seine Miene war ernst, sein Blick auf den Weg vor sich gerichtet. Was er wohl dachte? Und warum sollte sie das überhaupt interessieren?
Mit einem leisen Schnauben schaute auch sie wieder geradeaus. Immerhin war heute ja wirklich ein prächtiger Tag. Warum sich alles verderben lassen von diesem verdrießlichen ...
„Wer ist dieser junge Mann,
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