038 - Verbotene Sehnsucht
erreichten. Er war Soldat gewesen, hatte sich lautes Kriegsgeschrei ausstoßenden Wilden entgegengestellt und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Doch wenn er in Lady Emelines Nähe war, konnte er sich kaum unter Kontrolle halten. Er fluchte leise, als er die schnaufenden Diener herannahen hörte.
Damit musste es ein Ende haben. Sie war eine Adelige und für ihn unerreichbar.
Er setzte eine unbefangene Miene auf und winkte den Dienern zu. „Man hat uns nach euch ausgeschickt. Soll ich beim Tragen helfen?" Er zeigte auf den schweren Korb.
„Nein, Sir. Danke, Sir", erwiderte der Ältere der beiden. Er war außer Atem, und das Gesicht, ebenso wie das seines Mitstreiters, war sichtlich erhitzt, aber in seiner Stimme schwang ein schockierter - ja, gar entrüsteter - Unterton mit. Allem Anschein nach schickte es sich nicht für einen Gentleman, einem Diener Hilfe anzubieten.
Seufzend wandte Sam sich wieder um und ging ihnen mit Lady Emeline voraus.
„Hierzulande hält man Ungleichheit ja wirklich in Ehren."
Sie schaute ihn an und runzelte leicht irritiert die Stirn. „Wie bitte?"
Er deutete auf die Diener, die ihnen hinterherkeuchten. „Jeder achtet auf noch so kleine Standesunterschiede, jeder nutzt jede sich bietende Möglichkeit, sich von anderen abzugrenzen. Ihr Engländer vergöttert die Ungleichheit zwischen den Menschen geradezu."
„Wollen Sie etwa behaupten, dass in den Kolonien alle Menschen gleich wären?
Dass es dort keine Standesunterschiede gäbe? Falls ja, so glaube ich Ihnen nicht."
„Natürlich gibt es Unterschiede, aber ich kann Ihnen versichern, dass um den gesellschaftlichen Rang längst nicht so viel Aufhebens gemacht wird wie hier. In Amerika kann ein Mann sich über den Stand erheben, in den er geboren wurde."
„So wie Ihr Freund Mr. Thornton", entgegnete sie und gab ihm zum Nachdruck einen kleinen Klaps auf den Arm. „Ein Engländer."
„Thornton ist aber nicht zu dieser reizenden Hausgesellschaft eingeladen worden, oder?" Als er sie sehr anmutig erröten sah, musste er sich ein Lächeln verkneifen.
Sie mochte es nicht, bei einem Wortwechsel zu unterliegen. „Er hat sich eine Position und ein Vermögen erarbeitet, doch Ihren erlauchten Kreisen scheint er immer noch nicht zu genügen."
„Jetzt lassen Sie es aber gut sein, Mr. Hartley", fuhr sie ihn an. „Sie waren in der Armee. Erzählen Sie mir bloß nicht, dass es dort keine Unterschiede im Rang gegeben hätte."
„Oh ja, die gab es", sagte er bitter. „Und einige der größten Dummköpfe bekleideten die höchsten Ränge, wurden gar zu Generälen ernannt, und das allein aufgrund ihrer Geburt. Wenn Sie mich vom Nutzen der Standesunterschiede überzeugen wollen, müssen Sie sich schon ein besseres Beispiel einfallen lassen."
„War mein Bruder vielleicht ein schlechter Soldat?", fragte sie spitz.
Er verfluchte sich still. Herrje! Wie hatte er nur so unbedacht sprechen können?
Natürlich käme ihr zuallererst ihr Bruder in den Sinn. „Nein. Captain St. Aubyn war einer der besten Offiziere, die ich je gekannt habe."
Sie hielt den Kopf gesenkt, die Lippen schmal zusammengepresst. Für eine so streitlustige Frau konnte sie sich bisweilen ganz schön verletzlich zeigen. Es tat ihm weh, versetzte ihm geradezu einen Stich ins Herz, sie so zu sehen. Wie seltsam, dass ihre spitze Zunge ihn sich so lebendig fühlen ließ, das Bedürfnis in ihm weckte, sie an sich zu reißen und zu küssen, bis sie unter seinem Mund vor Lust stöhnte. Aber in den seltenen Momenten, in denen sie Schwäche zeigte, ging sie ihm wirklich zu Herzen. Hoffentlich zeigte sie sich nur ihm gegenüber von dieser verletzlichen Seite.
Der Gedanke, dass ein anderer Mann sie so sah, war ihm unerträglich. Er wollte der Einzige sein, der diese Sanftheit sah. Er wollte sie beschützen.
„Und Jasper?", fragte sie. „War er auch ein guter Offizier? Irgendwie kann ich ihn mir gar nicht vorstellen, wie er Verantwortung trägt und anderen Befehle erteilt. Mit ihnen scherzen und Karten spielen, das schon. Aber andere herumkommandieren?
Ausgeschlossen."
„Dann kennen Sie Ihren Verlobten vielleicht nicht besonders gut."
Jäh sah sie auf und bedachte ihn mit einem finsteren Blick. „Ich kannte Jasper schon, als er gerade laufen lernte."
„Ich glaube, dass man einen Menschen erst dann wirklich kennt, wenn man ihn im Angesicht des Todes erlebt hat", erwiderte er.
Mittlerweile waren sie wieder in Sichtweite des Picknickplatzes. Lady Emeline schaute zu
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