038 - Verbotene Sehnsucht
nicht richtig, nun für einen anderen Mann stärkere Gefühle zu hegen -für einen Mann zudem, der nicht einmal ihr Gatte war.
Melisande warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Dann dürftest du ihm wohl künftig aus dem Wege gehen."
Emeline drehte sich um, sodass sie gar nicht erst in Versuchimg kam, zu Samuel hinüberzuschauen. Stattdessen hatte sie nun eine ungetrübte Aussicht auf den Zierteich, der etwas abseits hinter den Zielscheiben lag. Ziemlich zugewuchert sah der aus. Lady Hasselthorpe hätte ihn vor der Hausgesellschaft noch säubern lassen sollen. Mrs. Fitzwilliam stand ganz allein am Ufer, die Arme. „Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, was ich tun werde."
„Eine kluge Frau würde natürlich die Nähe ihres Verlobten suchen", murmelte Melisande so leise, dass es kaum zu hören war.
Das lag nahe. Immerhin nahm Jasper ja auch an dem Wettschießen teil. Ihm machte alles Vergnügen, wobei er sich körperlich verausgaben konnte. Er war ständig in Bewegung - ganz anders als Samuel -, hockte eben noch aus unerfindlichem Grund auf dem Boden, sprang im nächsten schon den Dienern bei, um ihnen bei der genauen Ausrichtung der Zielscheiben zu helfen. Kurz musste Emeline daran denken, was Samuel über ihn gesagt hatte: dass er gekämpft habe, als kenne er keine Furcht. Der Jasper, den sie kannte, war das definitiv nicht. Aber vielleicht kannte eine Frau einen Mann ja nie wirklich ganz.
Emeline schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass es nichts mit Jasper zu tun hat."
„Du hast eine Übereinkunft mit ihm", erinnerte sie ihre Freundin.
„Eine Übereinkunft, ja. Genau das ist es. Jasper ist nicht mit dem Herzen dabei."
„Bist du dir da sicher?" Melisande betrachtete ihre Schuhspitzen. „Mir war, als hege er durchaus gewisse Gefühle für dich."
„Für ihn bin ich wie eine Schwester."
„Das kann durchaus ein guter Anfang sein für eine erfüllte ..."
„Und er hat andere Frauen."
Darauf erwiderte Melisande nichts, und Emeline fürchtete schon, dass sie ihre Freundin schockiert hatte. Es wurde gemeinhin angenommen, dass ein Gentleman Affären hatte - sowohl vor als auch nach der Heirat -, doch dies laut auszusprechen entsprach ganz und gar nicht dem guten Geschmack.
„Daran hast du früher nie Anstoß genommen", sagte Melisande schließlich. Die Gentlemen begannen sich in der Reihenfolge aufzustellen, in der geschossen würde.
„Komm, lass uns zuschauen gehen."
Sie schlenderten zu den Schützen hinüber.
„Ich störe mich auch keineswegs an Jaspers Gefühlen für mich", sagte Emeline leise.
„Tatsächlich glaube ich, dass freundliches Wohlwollen die beste Grundlage für eine Ehe ist. Weitaus besser als verzweifelte Leidenschaft."
Sie spürte Melisandes scharfen Blick auf sich, doch ihre Freundin enthielt sich jeden Kommentars. Sie hatten die Gentlemen gerade erreicht, da trat der Duke of Lister vor und machte sich mit viel Aufhebens zum Schießen bereit. Vermutlich war es seinem Rang geschuldet, dass er als Erster an die Reihe kam.
„Grässlicher Mann", murmelte Melisande.
Emeline hob verdutzt die Brauen. „Der Duke?"
„Schleppt seine Geliebte mit sich herum, als wäre sie ein kleines Hündchen, das niemals von der Leine darf."
„Ihr scheint es nichts auszumachen", meinte Emeline mit einem kurzen Blick auf Mrs. Fitzwilliam, die sich schützend die Hand vor die Augen hielt, um den ersten Schuss zu bewundern. Ihr blondes Haar schimmerte golden in der Sonne. Sie wirkte bemerkenswert ruhig und gelassen.
Der Duke hob das Gewehr an die Schulter.
Melisande hielt sich die Ohren zu, als er abfeuerte, und zuckte zusammen, als der Schuss von Hasselthorpe House widerhallte. „Warum müssen Gewehre nur einen solchen Lärm machen?"
„Wahrscheinlich damit wir Damen gehörig beeindruckt sind", sagte Emeline zerstreut.
Ein Diener schritt mit fast schon zeremoniellem Ernst an die Zielscheibe und malte einen schwarzen Kreis um das Einschussloch, damit alle es gut sehen konnten.
Listers Schuss hatte den Rand nur knapp verfehlt. Er sah denn auch wenig erfreut aus, doch die Damen klatschten trotzdem begeistert. Mrs. Fitzwilliam machte Anstalten, sich zu ihrem Gönner zu gesellen, aber der bemerkte sie nicht einmal und wandte sich ab, um sich lautstark mit Lord Hasselthorpe zu unterhalten. Emeline sah seine Geliebte etwas verunsichert stehen bleiben, ehe sie fein lächelnd an den Teich zurückkehrte. Melisande hatte recht. Es war nicht ganz einfach, eine Mätresse zu sein.
„Sind sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher