038 - Verbotene Sehnsucht
instinktive Reaktion gewesen, die den Wünschen seines Körpers dennoch völlig zuwiderlief. Er war so erregt gewesen, dass ihm das Blut heiß pulsiert war, er hatte an nichts anderes mehr denken können, als sich mit ihr zu vereinen. Und dann hatte er mit einem Schlag begriffen, dass es falsch wäre. Er hatte nicht gewollt, dass sie ihm nur aus Mitleid nachgab. Mitleid war es nicht, was Lady Emeline für ihn empfinden sollte. Bloß das nicht. Dennoch: Vielleicht war es ja töricht von ihm gewesen, sie zurückzuweisen, denn seinem Schwanz schien es ziemlich gleich zu sein, warum sie sich ihm an die Brust geworfen hatte und auf seinem Schoß dahingeschmolzen war wie Butter auf Toast. Den kümmerte nur, dass die Dame willens gewesen war. Wie ein Jagdhund, der eine Fährte wittert, hatte er sich stolz gereckt und zur Eroberung bereit gemacht.
Was sollte er nur zu ihr sagen, wenn er sie heute sah?
Doch immer schön der Reihe nach. Jetzt brauchte er zunächst einmal ein Bad, denn er roch wie ein Schweinepfuhl - kein Wunder, da er gestern Nacht gelaufen war, bis ihm am ganzen Körper der Schweiß in Strömen floss. Sam humpelte zur Tür und rief nach heißem Wasser. Dann setzte er sich wieder und begutachtete seine Füße. Lady Emeline hatte gute Arbeit geleistet. Beide Fußsohlen waren von aufgeplatzten Blasen bedeckt, und am linken Fuß hatte er sich zudem sehr unschön geschnitten, aber die Wunden waren sauber. Sie würden gut verheilen, das wusste er aus langer Erfahrung.
Sein Badewasser kam in einem Blechzuber, in den Sam kaum sitzend hineinpasste, aber die Wärme und der Dampf waren dennoch eine Wohltat für seine schmerzenden Muskeln. Er kleidete sich an, und während er sich ein Paar seiner älteren Mokassins um die Füße schnürte, verzog er kurz das Gesicht vor Schmerz. Als auch das geschafft war, begab er sich hinunter zum Frühstück. Für ihn mochte es schon recht spät sein, aber für den englischen Adel war es noch früh, weshalb das Frühstückszimmer auch nur mäßig besetzt war, als er hineingehumpelt kam.
Es war ein langer Raum, der sich bis in den hinteren Teil des Hauses erstreckte. An einer Seite ließen Fenster mit rautenförmigen Bleiglasscheiben die Morgensonne herein. Statt einer langen Tafel standen kleine Tische über den Raum verteilt. Sam nickte einem Gentleman freundlich zu, dessen Namen ihm entfallen war, und versuchte, sich seine Blessuren nicht allzu sehr anmerken zu lassen, als er den langen Weg zum Büffet antrat, das sich ausgerechnet an der hinteren Stirnseite des Zimmers befand. Dort fand er auch Rebecca, die gerade den gegrillten Schinken beäugte.
„Da bist du ja wieder", murmelte seine Schwester.
Sam sah sie von der Seite an. „Dir auch einen schönen guten Morgen."
Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick, setzte jedoch umgehend eine freundliche Miene auf, als sie Lady Hopedales gewahr wurde, die neugierig zu ihnen hinüberschaute. „Lass das."
„Was?" Er legte sich eine Scheibe von dem Schinken auf seinen Teller, der ihm schon die Tage zuvor als hierzulande besonders schmackhaft aufgefallen war.
„So zu tun, als wüsstest du nicht, wovon ich spreche", klärte seine Schwester ihn hörbar gereizt auf.
Verdutzt schaute Sam sie an. Er wusste wirklich nicht, worauf sie hinauswollte.
Rebecca atmete tief aus und sagte dann so geduldig, als rede sie mit einem kleinen Kind: „Du warst gestern den ganzen Tag fort. Niemand wusste, wohin du mit Lord Vale verschwunden warst. Ihr galtet praktisch als vermisst."
Sam wollte gerade etwas erwidern, als sie sich dicht zu ihm beugte und flüsternd fortfuhr: „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Das soll vorkommen, wenn du plötzlich ohne ein Wort gehst und niemand dich finden kann und alle sich schon fragen, ob du vielleicht in einen Graben gestürzt bist und irgendwo tot in der Landschaft liegst. Dann beginnt deine Schwester sich Sorgen um dich zu machen."
Sam blinzelte irritiert. Er war es nicht gewohnt, anderen Leuten Rechenschaft über seinen Verbleib abzulegen. Er war ein erwachsener Mann und erfreute sich bester Gesundheit. Warum sollte jemand sich um sein Wohlergehen Sorgen machen? „Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen", sagte er denn auch. „Ich kann schon selbst auf mich aufpassen."
„Darum geht es doch gar nicht!", zischte Rebecca so laut, dass eine Matrone mit erschlafften Hängebacken sich nach ihnen umdrehte. „Du könntest der stärkste Mann der Welt sein und dich mit allen verfügbaren Waffen
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