0382 - Claudines Schreckensnacht
Schließlich winkte ein Mann mittleren Alters Zamorra zu. »Kommen Sie, Monsieur. Bei mir gibt’s Telefon.«
Es stellte sich heraus, daß es sich um den Posthalter handelte. Zamorra folgte ihm in einen winzigen Schalterraum und ließ sich das Telefon freischalten. Er rief im Château an. Es dauerte eine Weile, bis Raffael abhob; offenbar war schon eine Menge los.
Zamorra schilderte ihm sein Mißgeschick.
»Schicken Sie mir jemand, der mich abholt«, bat er. »Am besten kein Auto. Vielleicht sollte Teri Rheken kommen. Das ist am einfachsten.«
»Ich werde es ihr mitteilen. Sie sind in Neulise, Professor?«
»Ja. Ich bin entweder am Wagen zu finden oder bei der Poststelle oder bei den Focaults.« Er nannte die Adresse. »Und noch etwas - wenn Teri sich gerade am Pool tummeln sollte, möchte sie sich besser etwas anziehen.« Er grinste. »In diesem Provinznest könnte sie sonst unliebsames Aufsehen erregen.«
»Auch das werde ich ihr ausrichten, Professor.«
Zamorra legte auf. Er sah den Posthalter an. »Was bin ich Ihnen schuldig?«
Der winkte ab. »Ausnahmsweise nichts«, sagte er. »Immerhin brauchen Sie ja Hilfe, nicht wahr? Es war mir ein Vergnügen.«
Zamorra nickte. »Vielen Dank, Monsieur…«
»Lafayette! Gustave Lafayette…«
***
Zamorra hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Er überlegte kurz, dann lächelte er. »Entschuldigen Sie meine Neugier, Monsieur Lafayette. Aber sind Sie zufällig der Vater des jungen Mannes, der sich für eine gewisse Claudine Focault… na, sagen wir mal… interessiert?«
Das Gesicht des Posthalters verdüsterte sich.
»Woher wissen Sie davon?« stieß er hervor. »Waren Sie etwa bei den Focaults?«
Zamorra nickte.
»Das Mädchen ist eine Hexe«, behauptete Lafayette ergrimmt. »Ein Kindweib, eine Lolita. Ist erst fünfzehn, wenn überhaupt, und sieht aus und läuft herum wie eine Erwachsene und macht alle Männer verrückt. Meinem Norman hat sie den Kopf verdreht! Tagein, tagaus denkt er an nichts anderes mehr als daran, wie er sie herumkriegt. Sagt, er hätte sich unsterblich in sie verliebt. Und sie, dieses kleine Biest? Was macht sie? Sie schickt ihn zum Teufel! Sagt, sie mache sich überhaupt nichts aus ihm. Aber warum macht sie ihn dann erst so verrückt, frage ich Sie? Kann mir das mal einer erzählen? Und dann diese Spuksachen. Die haben einen Poltergeist im Haus, bestimmt. Schon seit Jahren. Keiner traut sich mehr in die Nähe.« Seine Augen weiteten sich. »Ihr Auto… war das etwa auch dieser Poltergeist?«
Zamorra nickte.
»Ich sag’s doch immer«, zeterte Gustave Lafayette sofort weiter. »Diese Leute bringen nur Unglück. Wenn ich Sie wäre, ich würde sie verklagen. Auf Schadenersatz. Aber ganz kräftig. Das muß doch mal irgendwann aufhören, oder was meinen Sie?«
Zamorra zog es vor, gar nichts zu meinen. Er nickte nur stumm und erklärte, zu seinem Wagen zurück zu müssen, weil er in ein paar Minuten abgeholt werden würde. Erst, als er schon fast draußen war, drehte er sich noch einmal um.
»Pardon, Monsieur Lafayette… ist es vielleicht möglich, daß ich Ihren Sohn mal kennenlerne und ein paar Worte mit ihm wechsele?«
Er wußte selbst nicht so recht, warum er ausgerechnet auf diesen Gedanken kam. Wenn er es genau betrachtete, war dieser Norman Lafayette zwar die Ursache für Claudines innere Unruhe und Erregtheit, aber mit dem Poltergeist-Phänomen hatte er an sich doch nichts zu tun. Claudine war »Agent«, ob es einen Norman Lafayette in ihrem Leben gab oder nicht.
Der Posthalter legte die Stirn in Falten. »Warum? Was wollen Sie von Norman?« fragte er. »Wer oder was sind Sie überhaupt? Was haben Sie mit den Focaults zu tun?«
»Ich bin Parapsychologe«, sagte Zamorra. »Ich bin dabei, mich dieses Poltergeistes anzunehmen und ihn zu erforschen. Vielleicht läßt sich da etwas machen.«
Lafayette lachte trocken. »Mir scheint es, daß der sich Ihrer angenommen hat, Monsieur. Na ja, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Eine Kostprobe haben Sie ja schon bekommen. Aber - was wollen Sie von Nörman? Was hat er damit zu tun? Ich will nicht, daß Sie ihn da hineinziehen. Es reicht schon, daß er ständig hinter dieser kleinen Hexe her ist.«
»Sie hat ihm unmißverständlich erklärt, daß er sie in Ruhe lassen soll«, sagte Zamorra. »Nun gut, lassen wir das…«
»Ich will jetzt wissen, was Sie von meinem Sohn wollen!« beharrte Lafayette und folgte Zamorra zur Tür. »Sofort!«
Zamorra winkte ab. »Schon gut,
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