0383 - Londons Gruselkammer Nr. 1
Suko sah die alten, steinernen Druidenaltäre, auf denen die Opfer in ihrem Blut lagen. Sehr gut gemacht, dachte er, kam wieder hoch und erkannte über sich ein häßlich grünes, spitzes Gesicht, das einem Druidenpriester gehören sollte, der einen Steindolch in der Klaue hielt.
Suko hatte die Druiden inzwischen kennengelernt. So wie der hier sah keiner von ihnen aus. Der Chinese tauchte weg und ließ den Blutaltar hinter sich.
Das nächste Bild war schlimmer. Es zeigte die erste Nationalheldin Großbritanniens. Sie hieß Boadicea, war ein furchtbar blutrünstiges Weibsbild gewesen und hatte mit grausamer Strenge die Römer aus dem Land vertrieben.
Über sie erzählte man sich die schlimmsten Greueltaten. Kaum vorstellbar, daß eine solche Frau zur Nationalheldin gekürt worden war.
Die Menschheit bestrafte sich eigentlich immer selbst. So sah Suko auch das Bild dieser »Heldin«, die auf einem Podest stand, einen Speer in der Hand hielt, dessen Spitze in der Kehle eines zu ihren Füßen liegenden Kriegers steckte.
Er ging vorbei, sah grauenhafte Szenen von der normannischen Eroberung und näherte sich allmählich dem Mittelalter, wo die Foltermethoden raffinierter geworden waren.
Dabei schritt der Inspektor immer wieder den Pfeilen nach und versuchte auch, sich so wenig wie möglich ablenken zu lassen, denn er hatte seine eigentliche Aufgabe nicht vergessen.
Wenn Akim Samaran und Kamikaze tatsächlich hinter diesen furchtbaren Dingen steckten, mußten sie sich irgendwo in der Tiefe des Gewölbes verborgen halten.
Noch immer überwog der kühle Gruftgeruch. Es war ein schauriges Flair, das Angst machen konnte und Suko den Magen zusammenpreßte. Er spürte auf dem Rücken den kalten Schweiß, achtete sehr auf seine Schritte und erschrak, als er nach links in eine Nische blickte. Eine Frau saß dort am Boden und hielt den Deckel einer Truhe hoch.
In der Truhe lag ein halbverwester Kopf.
Der Tafelaufschrift nach gehörte er Sir Thomas More, einem Königsund Kirchentreuen, zudem einem großen Gelehrten, der trotzdem in den Tower gesperrt und geköpft wurde. Seine Frau hatte den Schädel ihres geliebten Mannes retten und in eine Truhe stecken können.
Suko schüttelte den Kopf. Großbritannien hatte wirklich keinen Grund, auf seine Historie stolz zu sein. Doch anderen Völkern erging es auch nicht besser. Er tauchte wieder in die Düsternis des Ganges ein und sah ein Stück weiter entfernt die nächste Lichtinsel.
Er war schon jetzt gespannt darauf, was er dort zu sehen bekam, denn er hörte etwas.
Es war ein Stöhnen.
Ächzend und tief, schmerzgepeinigt, so daß dem Chinesen eine Gänsehaut über den Rücken rann.
Er hätte natürlich einem ersten Impuls folgen und losrennen können, aber er war vorsichtig. Sollte Kamikaze hier unten tatsächlich lauern, mußte Suko mit allen Tricks rechnen, denn diese Bestie war zu vielem fähig. Es konnte durchaus eine Falle sein, die man ihm gestellt hatte.
Die Hand griffbereit an der Waffe, bewegte sich Suko auf Zehenspitzen an die Lichtinsel heran.
Er selbst warf einen Schatten, und er sah auch den Schattenteil eines Gitters am Boden.
Mehr nicht.
Kein Kamikaze, kein Akim Samaran.
Suko bewegte sich schneller und stand im nächsten Augenblick vor dem Folterloch, das Little Ease genannt wurde.
Er wollte es nicht glauben, seine Augen schienen ihm etwas anderes zu zeigen, aber es war eine Tatsache, die sich einfach nicht wegleugnen ließ.
Im Loch hockte ein Mensch!
Nein, er hockte nicht. Er lag auch nicht. Er konnte weder sitzen noch knien und schien regelrecht »hineingestopft« worden sein.
Eine furchtbare Sache!
Der Mann stöhnte. Sein Gesicht war gegen die Stäbe gepreßt. Blut lief aus kleinen Wunden über die Haut. Er mußte wahnsinnige Schmerzen verspüren, und Suko hörte die rauh geflüsterten Worte:
»Hol mich raus…!«
Das hätte der Inspektor auch ohne diese Aufforderung getan. Er suchte nur noch nach einer Möglichkeit, das Gitter zu öffnen. Von innen war dies leider nicht möglich.
Er sah den Riegel.
Eingerostet zwar, doch die blanke Spur im Mauerwerk bewies ihm, daß er bewegt worden war.
Was die anderen schafften, das konnte Suko schon lange. Den Riegel packte er an seinem vorstehenden Ende, riß zweimal daran und schaffte es, ihn zu lösen.
Sofort fiel das Gitter nach unten. Der Mann hatte sich nicht halten können, er kippte mit.
Bevor er noch mit seinem Gesicht auf den harten Boden prallte, war Suko hingesprungen. Sicher fing er den
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