0383 - Londons Gruselkammer Nr. 1
Bedauernswerten auf, setzte ihn behutsam zu Boden und lehnte ihn gegen die Wand.
Der Mann war fertig. Er atmete tief und saugend, dabei traute er sich nicht, die Arme zu bewegen. Mit den Beinen erging es ihm ebenso. Vielleicht war er nach diesem Aufenthalt im Loch auch nicht in der Lage, sich normal zu verhalten.
Er saß nur da.
Suko ließ ihm einige Minuten. Für ihn war der Mann sehr wichtig.
Von allein war er sicherlich nicht in das Loch geklettert. Da mußte jemand nachgeholfen haben, und Suko konnte sich auch vorstellen, wer dies getan hatte.
So etwas roch nach Kamikaze, diesem gnadenlosen Killer. Ihm war alles zuzutrauen.
Wieder einmal spürte Suko die Wut in sich hochsteigen, und er hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren. Der Reihe nach mußte er vorgehen. Die erste Spur lag im wahrsten Sinne des Wortes vor ihm am Boden und stöhnte. Viel Zeit konnte der Chinese dem Mann nicht lassen. Er bückte sich, fragte ihn, und der blonde Deutsche zuckte zusammen, als würde etwas Schreckliches auf ihn zukommen.
»Bitte!« flüsterte Suko. »Bitte, können Sie mich hören, Mister. Ich… ich will nichts von Ihnen. Nur reden. Nur mit Ihnen reden …«
Er öffnete den Mund. Es war zu erkennen, daß er Schwierigkeiten hatte zu reden, und Suko fragte ihn zunächst nach dem Namen.
Den sprach fast jeder automatisch aus.
»Gerber, Heinz Gerber… Germany …«
»Okay, Mr. Gerber. Ich weiß, daß es Ihnen schlecht geht…«
»Meine Knochen«, stöhnte der Mann. »Ich habe das Gefühl, daß sie alle zerquetscht sind. Das war ein Druck, den können sie sich kaum vorstellen. Furchtbar…«
»Ist etwas gebrochen?«
»Nein, glaube ich nicht. Fast… vielleicht.«
»Versuchen Sie sich aufzustützen. Nehmen Sie dazu beide Hände! Bitte!«
Der Deutsche gehorchte. Er stemmte seine Handflächen auf den Boden und kam langsam in die Höhe. Seine Arme zitterten, als wollten sie mitten durchbrechen. Er ächzte schwer, aber es klappte, denn er konnte die Arme durchdrücken.
»Nichts gebrochen«, stellte Suko fest. Er ließ Optimismus in seiner Antwort mitklingen.
»Ja, das glaube ich jetzt auch.«
Suko erkannte, daß der Mann bereit war, die alles entscheidende Frage zu beantworten, und so sprach er: »Wer hat das getan, Mr. Gerber? Nennen Sie mir den Namen, beschreiben Sie mir die Person. Es ist sehr wichtig für mich. Wer war es?«
»Ich… ich kenne ihn nicht.«
»Sie wissen, wie er ausgesehen hat.«
»Ja.«
»Beschreiben Sie ihn.«
Heinz Gerber wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Das heißt, er wollte es und verschmierte die rote Flüssigkeit leider noch mehr.
»Ich habe ihn noch nie gesehen. Er überfiel mich und hatte ein langes Messer. Er war groß, unheimlich, das Gesicht…«
»Trug er sein Haar sehr lang?« fragte Suko nach.
»Ja, wie ein Pferdeschwanz im Nacken.«
»Das ist es«, flüsterte der Inspektor. Mehr brauchte er nicht zu hören. »Das ist Kamikaze.«
Gerber hatte mitgehört. »Wer ist das?«
»Ich kenne diese verdammte Bestie. Sie heißt Kamikaze. Er ist ein Killer, ein Mörder und ein Henker in einem. Furchtbar, kann ich Ihnen sagen. Sie können von Glück reden, daß Sie noch leben.«
»Er wollte mich ja töten. Der andere hat es ihm gesagt.«
Suko horchte auf. »Es war noch ein zweiter bei ihm?«
»Ja.«
Ohne daß Suko ihn extra aufgefordert hätte, gab der Mann eine Beschreibung des anderen. Schon nach dem ersten Satz wußte der Inspektor, daß es sich um Akim Samaran handelte. Er und Kamikaze bildeten dieses mörderische Tandem.
»Sind die beiden noch hier unten?« fragte Suko.
»Ja, ich habe sie nicht weglaufen sehen. Sie sind tiefer in das Gewölbe gegangen. Mit den anderen.«
Suko bekam einen Schreck. Er schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben. »Welche anderen?«
Heinz Gerber begann zu weinen. »Meine Frau und meine beiden Kinder«, erklärte er stockend und immer wieder vom Hochziehen der Nase unterbrochen. »Sie befinden sich als Geiseln bei ihnen…«
Suko strich über seine Stirn. Der Schweiß war kalt geworden, und der Chinese dachte wieder an diese furchtbare Szene in dem China-Restaurant, als Kamikaze rücksichtslos vorgegangen war und mit keinem Menschen Mitleid gekannt hatte.
Sollte sich das hier vielleicht noch gesteigert wiederholen? Suko bekam Beklemmungen, wenn er daran dachte. Er mußte sich zusammenreißen, um seine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Sagen Sie mir, wo sie hingegangen sind.«
»Nach hinten.«
»Auch Ihre Familie?«
»Ja
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