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0387 - Das Grauen geht auf große Fahrt

0387 - Das Grauen geht auf große Fahrt

Titel: 0387 - Das Grauen geht auf große Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Grauen geht auf große Fahrt
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den Daumen zur Decke, an der an vielen Stellen der Putz fehlte.
    »Verlangst du etwa, in diesem Haus einen Stierkampf zu sehen?«
    Das Messingschild an der grauen Tür war der einzige blanke Fleck im ganzen Haus. Es sah aus, als sei es vor fünf Minuten geputzt worden. Eine elektrische Klingel gab es nicht. Ich drehte den versilberten Knebel der Schelle herum. Hinter der Tür schepperte es.
    Schritte schlurften heran, die Tür ging auf.
    Vor uns stand Mrs. Holden.
    Sie war eine alte Frau mit weißen Haaren, bräunlicher, verknitterter Gesichtshaut und guten Augen, die uns freundlich ansahen. Sie war einfach aber sehr sauber gekleidet. Der Boden in dem engen Korridor glänzte genauso wie ihr negroides Gesicht.
    »Mrs. Holden?«, vergewisserte ich mich.
    »Ja, die bin ich.«
    »Wir sind vom FBI!« Ich stellte mich und Phil vor. Sie zuckte leicht zusammen, sagte aber nichts. Mit einer Geste lud sie uns in die Wohnung ein.
    Die Frau wohnte sehr einfach, aber bei ihr hätte man vom Boden essen können.
    Im Wohnzimmer musterte uns ein grüner Wellensittich durch die Stäbe eines Käfigs. Dann rief er mit piepsiger Stimme: »Come in! Come in!«
    »Das hat er sich angewöhnt«, erklärte Mrs. Holden und setzte sich auf ein grünes Plüschsofa. Hinter ihr an der Wand hing ein Bild. Es zeigte einen Neger. Daneben gab es einen hellen, rechteckigen Fleck auf der Tapete.
    »Ist das Ihr Mann?«, fragte ich und deutete auf das Bild.
    »Ja. Kommen Sie seinetwegen? Er ist tot!«
    »Nein, deswegen sind wir nicht hier, Mrs. Holden«, sagte ich. »Wir hätten gern Jim gesprochen. Ihren Sohn!«
    Sie faltete die Hände im Schoß. Dann sah sie mich ruhig an.
    Der Grüngefiederte aus Australien tobte in seinem Käfig herum und hielt jetzt den Schnabel.
    »Ich habe keinen Sohn«, sagte sie dann leise. »Jim ist tot. Für mich!«
    ***
    »Sie scheint nicht mehr richtig im Kopf zu sein«, sagte ich zu Phil. Wir traten aus dem alten Haus heraus. Phil blickte nach oben, so, als habe er Angst, die noch lose in den Angeln hängende Tür würde auf ihn herabstürzen.
    Auf der Straße machte er ein nachdenkliches Gesicht. Erst als wir im Wagen saßen, begann er zu sprechen. »Ich habe über Daddys Mutter nachgedacht, Jerry.«
    Phil und ich hatten eine halbe Stunde in dem Wohnzimmer gesessen und versucht, etwas über Jim Holden aus der alten Frau herauszubekommen. Doch sie blieb starr bei der Behauptung, dass ihr Sohn Jim tot sei.
    »Denk an zwei Worte«, sagte Phil. »Sie sagte doch: Jim ist tot. Für mich! Denk an den hellen Fleck auf der Tapete neben dem Bild ihres Mannes. Dort hat einmal das Bild ihres Sohnes gehangen.«
    »Du meinst also, für die alte Frau ist der Sohn gestorben, weil er Verbrecher wurde?«
    »Genau, Jerry. Die Frau ist sauber, solide, ehrlich. Es muss der größte Schmerz in ihrem Leben gewesen sein; einen verbrecherischen Sohn zu haben, der wiederholt im Gefängnis saß. Deshalb verleugnet sie ihn. Für sie ist er gestorben. Sie hat ihn aus ihrem Leben gestrichen.«
    Ich fuhr zur East Side hinüber, dann den South Highway Express hinab. Auf der Höhe des Jeanette Parks bog ich zum Hafen ab.
    »Was hast du vor?«, erkundigte sich Phil.
    »Wir haben jemand nicht angetroffen.«
    »Wen meinst du?«
    »Softy!« Das war der Mann, den wir am Nachmittag verfehlt hatten. Ich hielt bei einem alten Schuppen, an dessen Ende eine Art Hühnerstall mit einem erblindeten Fenster klebte. Der Kasten war ganz mit schwarzer Teerpappe bedeckt.
    Ich klopfte an die Brettertür und rief: »Bist du zu Hause, Softy?«
    »Wer ist da?«, ertönte eine heisere Stimme aus der Bruchbude.
    »Cotton und Decker stehen vor deinem Palast, Softy!«
    »Kommt rein, Boys!«
    Ich zog die Tür vorsichtig auf, immer auf der Lauer, dass sie mir nicht entgegenstürzte.
    Auf einem schmuddeligen Feldbett, das sich durch den ganzen Raum erstreckte, saß das Wrack eines Menschen. Vor Softy, auf dem an der Wand angenagelten tablettartigen Tisch, stand eine Rotweinflasche. Der alte Mann mit dem struppigen, unrasierten Gesicht kaute an einer Scheibe Brot herum.
    »Stören wir dich beim Frühstück, Softy? Oder isst du schon zu Mittag?« Phil und ich mussten gebückt stehen, sonst hätten wir mit den Köpfen, das aus vielen Ritzen tropfende Dach durchstoßen.
    »Habe euch lange nicht mehr gesehen«, krähte Softy vergnügt. »Setzt euch!« Es bereitete uns einige Schwierigkeiten, in dem Loch auf zwei Bananenkisten Platz zu finden.
    ***
    Softy hatte in jungen Jahren, als

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